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Deutsch
Adolf Kolsen

Eine verkehrte Welt
 
I. Wohl war Singen mir lieb und gefiel mir Kurzweil; aber wegen einiger Vornehmen, die bei Lebzeiten schon tot sind, weshalb ihr Anblick mir Kummer verursacht, machen Blume, Zweig, Wiese und neuer Gesang keinen Eindruck auf mich. Gar nicht angenehm war das hübsche Wetter und der Frühling, wo es sonst Hilfe und Kurzweil gab; denn es ist jetzt besonders peinlich und ärgerlich für mich, wenn ich die jugendlichen Söhne klug und verständig sehe, den Vater aber verdrossen über den Verstand des Sohnes.
 
II. Und wäre es (1) mir nicht so lieb, so würde ich wohl davon befreit sein wollen; nimmt doch guter Wert und Vornehmheit bei allen (2) ab, weil meines Erachtens die Anregung fehlt. Denn Herr und Führer handeln jetzt leichtsinnig; sie denken nämlich gar nicht an das, was ihnen Ehre macht, sind wankelmütig und halten nicht auf Wahrhaftigkeit, sodaß sie sich dann verächtlich machen, wenn sie eine Haltung einnehmen, durch die sie den Unfrieden fördern (3) und diejenigen im Stiche lassen, welche sie in ihre Obhut genommen hatten.
 
III. Es geht in der Tat manchmal sonderbar zu (4), denn wenn ich Nutzen bringe und mich anstrenge, schilt man mich dumm und anmaßend; gereicht einem doch Tüchtigkeit jetzt zum Nachteil und ist doch Helfen eine Schande, Kampf ist Waffenstillstand (5) und Armut eine Dummheit! Nach der Auffassung der Vorfahren, zu deren Zeit Lust reichlich vorhanden war, galt Unzufriedenheit* für verächtlich (6), während jetzt, wenn einer lacht und Kurzweil haben will, (ihm) das nicht gutgeheißen wird; vielmehr wird er töricht genannt.
 
IV. Bei mir hat der Glaube, in dem ich einen großen Trost fand, sehr abgenommen, denn unter Entziehungen und Unbilden werde ich wieder mutlos (7), und ein Jahr könnte mir nicht geben, was mir ein kurzer Tag nahm. Und meine Klage bringt mir, weil sie mächtige Herren betrifft, nur Unehre ein; denn wenn ich mich beschwere und ärgerlich werde, entziehe ich mir und schmälere mein Recht, und dumm wird man sein, wenn man je denjenigen seine Gründe auseinandersetzt, von denen man weiß, daß sie einen ungerecht beurteilen werden.
 
V. Seit die Liebe sich zurückzog und Bosheit* Platz greifen durfte, war der Besitz nie erfreulich; seit das Unpassende und das Geziemende sich das Gleichgewicht hielten, nistete der Betrug sich ein (?), sodaß man, seitdem die Liebe die Hirschkuh mit dem Bären vereinte (8) und um des Besitzes willen sich verschlechterte, seines Lebens nimmer froh wurde. (9) Wer aber ein Liebhaber sein will, der muß lustig, artig und wacker sein, ausdauernd und recht beredt.
 
VI. Deshalb hätte ich gern davon abgesehen (10); indes zeigte mir ein Geschick am Ausgang eines Gartens, daß ich i h r botmäßig sein sollte, die mir ihre Hände ohne Handschuhe gab, wodurch mein Handschuh und mein Ring geehrt wurde. Da ich mich dadurch gehoben fühlte, kehrte ich dann sofort zurück zu ihr, die mir in trefflicher Weise viele Annehmlichkeiten, welche sie mir aber nachher zunichte machte, in Aussicht stellte und zu mir sagte:„Seid wirklich versichert, Freund, daß ihr von mir niemals werdet betrogen werden!“
 
VII. Und wenn einem nun Betrug und Zank gefällt, wird man sicherlich dafür Leiden und Qualen zu erdulden haben! Mein Lied wird daher, Freund, wenn man es gut verkündet, bis über die Bewohner von Maine hin und von Paris bis Tours den Liebhabern zeigen, wie sie mich betrog und verriet an dem Tage, der sie mir raubte, und es gab einst eine Zeit, wo mit dem Finger auf einen gewiesen wurde für solchen Handel, der gerichtlich entschieden werden sollte!
 
VIII. Aber mir, der ich nicht schwanke, erleichtert die Minne meine Bürde und, nachdem ich mich ganz von ihr entfernt habe, halten mich fest und befreien mich vom Leid Treue und Wahrhaftigkeit
 
IX. und Herr Sobre-Totz, der sich darin als Freund bezeichnet hatte; ich habe jedoch jetzt eingesehen, daß er mich meinem Schicksal überlassen würde.

 

Fußnoten:

(1) Das Singen. ()

(2) ‚Bei den Schwachen und den Starken.‘ ()

(3) ‚Den Frieden nicht herbeiführen.‘ ()

(4) ‚Wahr ist, daß in manchen Dingen ein Widerspruch, eine Ungereimtheit begegnet.‘ ()

(5) D.h. statt ritterliche Kämpfe auszufechten, pflegt man jetzt lieber der Ruhe. ()

(6) ‚Galt Mißvergnügen nicht ein Ei.‘ ()

(7) ‚Entsteht wieder eine Entmutigung.‘ ()

(8) D.h. solche Wesen zusammenbrachte, die ganz und gar nicht zusammenpaßten. ()

(9) ‚Nie einen guten (wohlschmeckenden) Bissen aß.‘ ()

(10) Zu lieben. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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