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242,019

Deutsch
Adolf Kolsen

Verzage nicht!
 
I. Da die rauhe Luft und die Kälte vorüber sind, wäre es nunmehr bei dem schönen Wetter wohl recht, daß mit Hilfe der heiteren Jahreszeit die halb entschwundene Jugendlust wiederkehrte und mit Ehren empfangen würde; denn wenn Lust vergeht, schmerzt es mich sehr zu sehen, daß sie mit dem Laub und trotz Blumenflors nicht erscheint und nicht wieder zu Ehren kommt, und der Umstand, daß Vertrauen und Treue, Hofleben und Freude schwinden, bringt mich bei dem Kummer, der mir daraus erwächst, beinahe um alle Kurzweil (1).
 
II. Aber ich achte auf meine Stimmung keineswegs in dem Grade wie ich Bitten höre, die jeder in dieser Hinsicht (2) an mich richtet. Während jedoch der April oder der Mai mich stets erheiterte, ist für mich jetzt der eine immer schlimmer als der andere! Dennoch werde ich mich ohne Freudigkeit und Liebe trösten, glaube indessen nicht, daß ihr irgend einen Sänger kennt, der so etwas täte (3). Wie ist es dann also möglich, daß ich mir zu singen vornehme und zwar gut zu singen ohne Lust, die doch alle guten Gesänge im Gange erhält und stützt?
 
III. Es ist eben nicht möglich, wie ich wohl fühle; ich sollte mir vielmehr erst gar keine Mühe damit geben! Niemals werde ich ohne Freude gut singen; denn ich glaube noch nicht, daß jemand singen könnte ohne eine Liebe, die ihm nicht im Herzen das zeigte, was hernach die Brust mit Freude erfüllte (4). Dichten und Dichter werden jedoch ganz verschieden beurteilt (5); glaubt doch so mancher sehr gebildet zu sein, der gar nicht weiß, daß die gleiche Nachsicht nötig sei für Vermessenheit und für Herzensgüte.
 
IV. Denn steigt und sinkt auch das Dichten nicht gemäß der Nachsicht, so bietet sich doch den edlen Herzen der rechte Sinn dar und dann das angemessene Wort; wenn mich nämlich jemand um meines guten Dichtens willen liebte, so würde dieses ihm alles sagen, was ich gar nicht ausgesprochen habe. Dient doch die Zunge immer mit gutem Geschmack dem Herzen, hilft ihm und zollt je nach den Umständen für die Freuden gute Anerkennung und für das erlittene Leid üblen Dank; so nämlich würde ich auch mit euch verfahren und ihr mit mir.
 
V. Ihr wisset, wie freudig Liebhaber treu und aufrichtig waren; aber jetzt ist gute Liebe trotz ihres guten Beginns vernichtet (6), und ich glaubte, es würde besser mit ihr werden, aber ich werde es nie mehr glauben; denn es herrscht eine üble Unersättlichkeit, die man den Damen und ihren Liebhabern als Schuld und Fehler anrechnet, sodaß ich denke, ich selbst würde, wenn es mir freistände, von der Minne derartiges sagen, daß ich für immer ihr Feind wäre.
 
VI. Weil ich nun nicht das Recht für mich in Anspruch nehme, mich vergehen zu dürfen, so habe ich sie hundertfach verloren und werde sie (noch mehr) verlieren, sie, die, da ich doch niemals etwas gesagt habe oder sagen werde, das ihr Grund zum Rechten* gäbe, mir gegenüber im Unrecht ist und es stets war! Deshalb glaube ich, mich ihrer nicht rühmen zu können, denn ich finde sie immer schlimmer, mehr noch als ein Knecht seinen schlechten Herrn; wenn er ihm (7) zwei, drei Jahre gedient hat und dieser (8) es ihm nicht dankt, obwohl er (9) alle seine Kraft eingesetzt hat, bringt er ihm (7) keine Liebe, keine Achtung und kein Vertrauen entgegen.
 
VII. Und wenn sie nicht so (10) wäre? Warum fürchte ich mich? Ich reiße mich deshalb los, weil es mich von hier fortzieht! So Gott mir etwa dazu verhilft, hierher zurückzukehren, wäre es da nicht in der Tat vorteilhaft für mich, sie um Gnade anzuflehen, vorausgesetzt, daß ich sie hier anträfe? Als Kläger werde ich ihr jedoch verzeihen, aber wie einem schlechten Schuldner, von dem man dann (11) eine um so größere Abzahlung bekommt; denn es würde mir viel nützen, wenn es Gott gefiele, daß sie mir soviel Unrecht, wie ich ihr je zugefügt habe, verziehe, weshalb ich noch nicht ganz verzage.
 
VIII. Und wenn er (12) mich dahin geleitete, wo er getötet oder gefangen genommen ward, würde ich mich vor allem (13) zum Herrn von San Sereno(?) begeben.
 
IX. Denn unter den Spaniern geht und kommt Lust und sie führt dort, leitet und schützt.

 

Fußnoten:

(1) ‚Enthält mir . . . alle kurzweiligen Dinge vor.‘ ()

(2) Daß ich eben Kurzweil treiben und singen solle. ()

(3) ‚Der sich mit solchem Handel abgäbe.‘ ()

(4) ‚Mit der Freude in die Brust eindränge.‘ ()

(5) ‚Dichten und Dichter haben verschiedenen Klang, mannigfache Bedeutung.‘ ()

(6) ‚In Trümmer verwandelt.‘ ()

(7) Der Knecht seinem Herrn. ()

(8) Der Herr. ()

(9) Der Knecht. ()

(10) Nicht so schlimm. ()

(11) ‚Sodaß man.‘ ()

(12) Christus. ()

(13) ‚Über alle hinaus.‘ ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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