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Deutsch
Adolf Kolsen

O tempora! o mores!
 
I. Der liebliche Gesang eines in einer Hecke singenden Vogels lenkte mich neulich von meinem Wege ab und zog mich an, und neben dem Gehege, in welchem sich das Vöglein befand, klagten drei Mädchen zusammen, indem sie von der ungebührlichen Form sangen, die Lust und Kurzweil angenommen, und von dem Schaden, den sie erlitten haben; und ich kam schneller herbei, um den Gesang besser zu hören, und sprach zu ihnen: ‚Mädchen, wovon singt Ihr oder worüber beklagt Ihr euch?
 
II. Und die Größte, die am meisten wußte, nahm ihren Mantel wieder auf und sagte: „Über einen Verdruß, der von den verächtlichen Mächtigen ausgeht, durch welche Jugendfröhlichkeit vernichtet ist; denn wie einer, falls er sie leitet (1), vermehrt und hervortreten läßt, ein trefflicher Führer mit gutem Werte ist, ebenso sind die Allerschlechtesten (2) diejenigen, welche auf ihren (3) Schaden bedacht sind; wenn Ihr euch nämlich freuen und das etwa zu erkennen geben werdet, werden sie Euch so kränken, daß irgendwelcher Verkehr mit ihnen Euch gar keine Freude bereiten wird.“
 
III. ‚Mädchen, keineswegs ist man, was gute Bemühungen anbetrifft, so flink, wie ehedem, als noch Lust reichlich vorhanden und Gesang beliebt war. Denn ich selbst finde, was mich grämt, keinen einzigen, der mich riefe, mich aufsuchte oder nach mir verlangte; vielmehr ward ich heuer zwischen drei geschätzten Königen ausgeplündert, sodaß (4) das eine der Reiche (5) mir feindlich gesinnt ist, und dies wurde bei dem grauen Pferde offenbar, das mir in freundlicher Weise und doch zum Unheil geschenkt worden war.’
 
IV. „Herr, mit Schimpf und Schande bedeckt sich (6), wer einen Söldling beraubt und sich von dem Raube kleidet und nährt, und der Ort, wo der Räuber Aufnahme findet, ist arg geschändet. Wenn irgend ein hoher Machthaber solchen ruchlosen Dieb, der voll ist von Bösem und von Trug, je duldet oder freundlich behandelt, kann er schwerlich geehrt werden; denn gar leicht werden sich diejenigen, welche das nicht begreifen können, sagen, daß er selbst in dieser Hinsicht schuldig ist oder daß ihm die Hälfte davon (7) zuteil wird.“
 
V. ‚Freundin, im Frühjahr pflegte man lustig zu sein; jetzt will man keinen Garten, bis man sich an der Frucht erquicken kann, und man findet kein Gefallen an Gesang und Fröhlichkeit.(8) Jedermann ist betrübt, besonders aber die Jünglinge, die sich für nichts mehr begeistern (9); sah ich doch (10), daß sich, wenn man ihnen (11) etwa einen Handschuh schickte, ein ritterlicher Handel darum erhob, der das ganze Jahr andauerte; jetzt werden sie euch ihre einfältigen Liebschaften zu verbergen suchen, nachdem denselben aller Wert genommen ward.‘
 
VI. „Herr, die Befestigung der Burgen (12) welche das Übel im Gefolge hat, die Mauern und Erdwälle haben überall Geschenke und Gastmähler verdrängt (13); denn jetzt ist man mit dem Nötigen nicht versehen, wenn man nicht eine die Verschanzung überragende Mange anfertigt, von der dann ein besessener Kerl die ganze Nacht schreien wird: «Bleibt wach, denn ich habe Lärm gehört!» und dann wird man aufstehen; tut ihr das aber nicht, so werdet ihr gescholten werden.“
 
VII. ‚Und was nützt es mir, Freundin, wenn ich mich auflehne und zornig werde? Glaubt ihr, daß die Schlechten sich wegen solcher geringfügigen Schläge in Schwung setzen, daß ein hartnäckiger Junge, wenn ich ihn beim Felle halte, sich wegen eines unbedeutenden Rutenschlags bessere und daß so ohne weiteres jemand, sei er auch ein echter Biedermann, auf eine Bitte hin sich einem Genossen (14) ergebe? Er wird dann vor dem Ärger Angst haben und sich für belästigt halten, wenn man irgend etwas von ihm verlangt.‘
 
VIII. „Freund, wenn der Herr von Bordeaux sich darin keine Mühe gibt und sich nicht darum kümmert, daß die Welt vor dem gänzlichen Verfall bewahrt bleibe, o daß er doch dann zu Grunde ginge! Denn ist erst einmal die Lust dahin, so ist alles andere außerstande, etwas von gutem, trefflichem Wert hervorzubringen, und wo der Herr freudlos herrscht, da ist keine bleibende Stätte für Gott, für Treue und Frieden; denn seine Leute werden sich nach ihm richten, sind aber in jeder Hinsicht fröhlich, sobald ihm Lust gefällt.“
 
IX. ‚Mädchen, mit meines Sobre-Totz‚ Einwilligung werde ich heuer nicht mehr singen; denn ich bin nicht glücklich.‘
 
X. „Herr, die beiden Bertrands werden euch sicherlich sagen, daß ihr übel beraten seid, wenn ihr zu singen aufhöret.“
 
XI. ‚Mädchen, eine wahre Schande ist es, wenn man liebt ohne Gegenliebe.‘
 
XII. „Herr, harret nur ruhig aus; denn so werdet ihr geliebt werden!“

 

Fußnoten:

(1) ‚Gesetzt, daß er sie (die Jugendlust) leitet.‘ ()

(2) ‚Unter den Schlechten die Schlechtesten.‘ ()

(3) Der Jugendlust. ()

(4) Was für mich seitdem feststeht. ()

(5) Eins von jenen drei Königreichen. ()

(6) ‚Mit gemeiner Last und gemeiner Bürde belastet sich.‘ ()

(7) Von dem Raube. ()

(8) ‚Die festen Burgen, aus denen das Übel hervorgeht.‘ ()

(9) Wegen der großen Kosten, die sie verursachen. ()

(10) ‚Geschrei‘ Freudengeschrei. ()

(11) ‚Keinen Mut fassen.‘ ()

(12) Früher. ()

(13) Den ehemaligen Jünglingen. ()

(14) Einem, der gern sein Genosse werden möchte. ()

 

 

 

 

 

 

 

 

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