Dichter und Zofe
I. ‚Wenn ich Euch um Rat ersuche, liebe Freundin Alamauda, versagt ihn mir nicht, da ein bedrängter Mann Euch darum bittet; denn Eure falsche Herrin hat mir vorgeworfen, ich hätte mich von ihrer Botmäßigkeit weit entfernt, sodaß sie, was sie mir gewährte, mir jetzt entzieht und widerruft. Was ratet Ihr mir? Entbrennt mir doch beinahe innen das Herz vor Kummer, so betrübt bin ich darüber.‘
II. „Bei Gott, Girant, keineswegs so auf ein Mal geschieht oder wird ganz erfüllt, was ein Freund wünscht; denn wenn der eine Teil einen Fehler begeht, muß der andere wohlwollend verzeihen, damit ihr Schaden nicht wachse und sich ausdehne. Sagt sie Euch also von einem hohen Berge, er sei eine Ebene, so glaubet ihr darin, und es gefalle Euch das Gute und das Üble, das sie Euch befiehlt; denn so werdet Ihr geliebt werden.‚
III. ‚Ich kann nicht umhin, gegen Hochmut (
1) zu schelten, obgleich Ihr, Fräulein, schön und blond seid. Geringer Kummer schadet Euch und eine kleine Freude nützt Euch (
2); aber Ihr seid eben keine von den besten Ratgeberinnen (
3)! Und ich, der ich fürchte, daß dieser Kummer mich vernichte, was ratet Ihr mir darin? Ich solle, wenn ich befürchten muß unterzugehen, mich noch weiter ins Wasser hineinbegeben? Schlecht, glaube ich, leitet Ihr mich!‘
IV. „Wenn Ihr mich wegen eines so schwierigen Gegenstands zu Rate zieht, so weiß ich bei Gott nicht, Girant, wie ich Euch antworten soll; jedoch wenn es Euch scheint, daß ich mit wenigem zufrieden wäre, — (
4) ich will mich lieber mit geringerem Nutzen begnügen, als daß ich alles einbüßte (
5). Und hatte ich den Wunsch, heute für Euch die Aussöhnung zu bewirken, so bemüht Ihr euch fürwahr bei ihr darum, daß sie Euch ihr Wohlwollen entziehe und vorenthalte; wohl zeigt es sich, wie eilig Ihr es damit (
6) habt!“
V. ‚Fräulein, seid fortan nicht zu geschwätzig! Wenn sie als erste mir gegenüber schon wer weiß wie oft (
7) die Treue verletzt hat, glaubt Ihr da, daß ich ihr das stets durchgehen lassen solle? Es könnte scheinen, ich täte das aus Mangel an anderer Freundschaft. — Schlagen möchte ich Euch jetzt, wenn ihr nicht schweigt! Dame Berengera würde mir einen besseren Rat geben als Ihr.‘
VI. „Die Stunde sehe ich, Giraut, wo sie es Euch wohl vergilt, daß Ihr sie unbeständig und leichtsinnig nanntet; meint Ihr, um solcher Reden willen (
8) werde sie Euch um Versöhnung bitten? Ich glaube aber keineswegs, daß sie so zahm sei; vielmehr wird es, was Ihr auch sagen möget, nun ihre letzte Zusage sein, wenn sie es jetzt über sich gewinnt, Euch Waffenstillstand, Vertrag und Frieden anzubieten.“
VII. ‚Schöne, möchte ich nur um Gottes willen nicht Euren Beistand verlieren, denn Ihr wißt ja, wie er mir zugesagt ward. Wenn ich infolge meines Kummers gefehlt habe, so schade das mir nicht; wenn Ihr je fühltet, wie leicht sich das Herz eines Liebhabers ändert, Freundin, und wenn Ihr je eine Geliebte wart, so seid auf die Aussöhnung bedacht; denn ich versichere Euch: Ich sterbe (
9), wenn ich sie verloren habe, aber verratet ihr das nicht!‘
VIII. „Herr Giraut, gern hätte ich bereits Frieden gestiftet, aber sie sagt mir, sie habe sich mit Recht geärgert, weil Ihr, wie ein Narr, ganz öffentlich einer anderen den Hof machtet, die ihr ganz und gar nicht (
10) gleichkomme. Wird sie also nicht, falls sie Euch nicht aufgibt, die Rolle der Besiegten spielen, wenn Ihr einer anderen den Hof macht? Wohl werde ich Euch, wenngleich ich sie verteidigt habe, darin helfen, wenn Ihr das nicht wieder tut (
11).“
IX. ‚Schöne, bei Gott, wenn Ihr bei ihr in dieser Hinsicht Glauben findet, versichert ihr es für mich (
12)!‘
X. „Wohl werde ich es tun; aber wenn ihre Liebe Euch zurückgegeben sein wird, beraubt euch derselben nicht!“
Fußnoten:
(1) Gegen solchen Hochmut, wie er in A.’s Rat zum Ausdruck kommt. (↑)
(2) Euch schadet schon wenig Kummer und geringe Freude hilft Euch schon; Euch ist es doch nicht gleichgültig, wie man Euch behandelt, und ich sollte von der Dame Freude und Leid in gleicher Weise hinnehmen und mich durch den Kummer, den sie mir bereitet, gänzlich zu Grunde richten lassen? (↑)
(3) ‚Ihr seid in dieser Hinsicht (was nämlich das Erteilen von Ratschlägen anbetrifft) keineswegs die erste oder die zweite.‘ (↑)
(4) So möget Ihr wissen. (↑)
(5) ‚Lieber will ich meine Wiese ausrupfen (nur einen Teil oder mit Mühe ernten?), als daß ein anderer sie mir abmähte.‘ (↑)
(6) Euch die Gunst der Dame zu verscherzen. (↑)
(7) ‚Mehr als hundertmal.‘ (↑)
(8) ‚Darum.‘ (↑)
(9) ‚Ich bin tot, bin ein Toter, wenn . . .‘ (↑)
(10) ‚Weder bekleidet noch nackt.‘ (↑)
(11) ‚Wenn Ihr euch damit nicht mehr abgebet‘, nämlich: einer anderen Dame den Hof zu machen und so meine Herrin zu reizen. (↑)
(12) Daß ich ihr niemals mehr solchen Ärger bereiten will. (↑)