Ernst ist das Leben, heiter die Kunst
I. Wenn die Jahreszeit des finstern Wetters (
1) es mir gestattete, wollte ich mich gern bei irgendwelcher Unterhaltung erheitern (
2); gegen die Kälte wäre mir nämlich Kleidung nötig, statt des Unrechts, das ich erleide, Gunst, statt zu vielen Schweigens Gesang und statt des Wechsels der Herren ein edler, vornehmer und gütiger Herr.
II. Und ich würde morgens wärmer liegen (
3), wüßte ich, daß ich meinen Bedarf bei mir im Hause habe, sodaß ich niemals gezwungen wäre, deshalb (
4) aus dem Hause zu gehen; ist es doch für mich eine Qual, vielen zu Danke verpflichtet zu sein. Und es wäre in der Tat widerwärtig, wenn einer bettelte, ohne es nötig zu haben; wenn indessen das Geben nicht wäre, wüßte man nie, wer eigentlich wacker ist.
III. Und reich würde ich meinen Nachbarn mehr gefallen als arm; denn wenn ich alle meine Existenzmittel suchen muß, ward keiner mir so zugetan sein, daß er mir nicht oftmals meine Bitten verdrießlich abschlüge (
5). Und wer zuviel nach Bewirtungen anderer ausschaut*, dem wird manche Mahlzeit fehlen, und er wird, wenn er sich unaufgefordert jemandem aufdrängt, wahrscheinlich ohne Brot und Obdach bleiben.
IV. Besser würde er sicherlich, wenn ein anderes Eßgerät (?)* ihm fehlen sollte, sogar auf seinem Harnisch von dem Seinigen speisen, dessen Verwendung sehr angenehm ist, und wer auf Kosten anderer den Höfischen spielt, da er mit seinem Eigentum überaus geizig verfährt, dem wird meines Erachtens gewiß mit Recht kein Lohn zuteil.
V. Durchaus keine geringe Macht hat über mich des andern Wein, wenn ich mich vergesse und die Fähigkeit verliere so zu handeln, daß man mich gern sehe. Jedoch gereicht freundliche Aufnahme nur dem zum Ruhme, von dem sie ausgeht, sodaß, je höher einer steht, er umsomehr wünschen müßte, daß eher ein schöner Ruf von ihm sich verbreite als von euch (
6).
VI. Nähme man es mir nicht übel (
7), wenn ich die Jünglinge ansporne, leite, bessere und fördere, so würde sich ihre Ausbildung wohl besser gestalten; wenn einer jedoch gegen Unterricht und Zurechtweisung Widerwillen zeigt und ihr euch dennoch abmüht, daß er anders würde, dann könnt ihr tausend Stöcke dabei zerbrechen (
8)!
VII. Trotz eines Eides, den man mir leistet, würde ich so wenig, daß ich sogar meine Zurechtweisungen dabei unnütz zu vergeuden vermeine, glauben, daß ein Knabe aus gutem Hause (?), wenn er sich vor der Belehrung* sehr scheut, je Tatkraft an den Tag lege, sobald er selbständig geworden ist; denn schon als Kind und Knabe muß er gesellig, tüchtig und freigebig sein.
VIII. Gicht, von der er nie genese, oder eine große Schlappe in freiem Felde, die derartig sein müßte, daß ich, möglichst weit weg (
9) von ihm hören könnte, er sei auf dem Platze geblieben, oder eine Angelegenheit, die ihm zum Spotte gereiche, oder Schlimmeres sollte dem zustoßen, dem Lust und Kurzweil nicht gefällt; denn manche drückenden Sorgen verscheucht alsbald ein gutes Lied.
IX. Herr Sobre-Totz, treffliches Denken, Freude und gute Hoffnung nehme immer mehr zu bei meinem „Gebieter“ und bei Euch!
X. Ich nämlich habe mich noch über die Navarresen zu beklagen; denn einer unter ihnen, ein erbärmlicher Flegel, hat mir einmal Verdruß bereitet!
Fußnoten:
(1) Der Winter. (↑)
(2) Weil ich jetzt aus folgenden Gründen übelgelaunt bin. (↑)
(3) Ich wäre beruhigter. (↑)
(4) Wegen des Bedarfs, zur Beschaffung der Existenzmittel. (↑)
(5) ,Daß ihn das Abweisen nicht oftmals verdrösse.‘ (↑)
(6) Je höher einer steht, um so besser sollte er seine Gäste aufnehmen. (↑)
(7) ,Nähme man es mir nicht herb auf.‘ (↑)
(8) Dann wird alle eure Anstrengung bei ihm nichts fruchten. (↑)
(9) Selbst außer Gefahr. (↑)