Die Welt ist voller Widerspruch
I. Mancher predigt und ermahnt in trefflicher Weise, der ein falsches Herz und eine üble Gesinnung hat, und mancher beschuldigt andere, der an seiner eigenen Schuld nichts zu tadeln findet, und mancher handelt vielleicht übler als eine Schlange, der seine Absicht verbirgt, mancher trägt ein Büßergewand, der einen treulosen Charakter hat.
II. Mancher verzeiht des andern Unrecht nicht, der sich von seinem Unrecht nicht losmacht (
1), und mancher klagt und hadert (viel), der durchaus keinen Grund dazu hat, und mancher handelt töricht, der gut und vernünftig redet, und mancher sät sein Getreide gut und trefflich, der es nicht erntet.
III. Mancher hat eine stattliche und kräftige Gestalt, dem es an Kühnheit mangelt, mancher läßt seinen Freund im Stich, der des Freundes oft bedarf, und mancher macht Versprechungen, der sie schlecht hält, und mancher besitzt viel, der wenig gibt, und mancher nimmt einen großen Dienst an, der ihn schlecht belohnt.
IV. Mancher glaubt den richtigen Zeitpunkt zu treffen, dem es damit fehl geht, mancher treibt und spornt sehr an, dem dann sein Pferd zu stürmisch wird, und mancher glaubt, sein Ziel sogleich zu erreichen, den seine Hoffnung betrügt (
2), und mancher scheint zu langsam zu gehen, der seine Angelegenheiten vorzeitig erledigt.
V. Mancher verlangt eine Kaiserkrone, der unsern Glauben schlecht beschützt, und der Papst schläft zwischen der Tertie und der None (
3) so fest ein, daß ich keinen Herrn sich gegen das Sarazenenvolk erheben sehe, vielmehr halten sie denjenigen für ihren Feind, welcher ihnen gegenüber ein Wort davon verlauten läßt.
VI. Jesus Christus trug, um die Menschheit zu erlösen, eine Dornenkrone, und der Papst läßt sein Grab schnöde im Stich.
VII. Bald wird, wie ich glaube, der Antichrist erscheinen, so viel schurkisches Volk gibt es; sehe ich doch, daß man stets den Regen zu erwarten hat, wenn es stark donnert.
Fußnoten:
(1) ,Der seinen Anteil daran nicht in den Wind schleudert.‘ (↑)
(2) ,Der bei sich eine bretonische (eitle) Hoffnung hegt.‘ (↑)
(3) Zwischen der dritten und der neunten Tagesstunde, d. h. zwischen 9 Uhr morgens und 3 Uhr nachmittags. (↑)