An den Spielmann Cardalhac
I. Cardalhac, man sagt mir, daß Ihr nach einem Sirventes kommen wollt, um Geld damit zu verdienen; aber bevor der Pförtner euch öffnet, möget ihr mir von weitem Dank abstatten, weil Euer Atem etwas übel riecht und Ihr äußerst zudringlich seid. Deshalb ist es auch besser, man schickt Euch etwas Geld, als daß man Euch näher herankommen lasse (
1); ist es doch eine große Qual, wenn man sich nicht abwendet oder die Nase zuhält (
2).
II. Ich weiß es nicht (
3), aber ich habe jetzt vernommen, welches einst Euer Gewerbe war; ich höre sagen, daß Ihr ein Armbrustschütze gewesen seid, aber ohne daß Eure Schüsse wohl je von vornherein verwunden. Obwohl Ihr jedoch unter den Allerletzten wart, wurdet Ihr dennoch gefaßt, und wem solches Mißgeschick widerfährt, für den ist es viel besser, daß er ihnen (
4) den Fuß oder die Faust hinreiche (
5), als daß man ihm noch übler mitspiele und ihn mit dem Schwerte töte oder aufhänge.
III. Jetzt tut Ihr fein und höfisch, gleichsam als ob Ihr tatsächlich Rittern entsprossen seid, und Ihr erzählt gern Geschichten und spielt den Vertrauten und Diensteifrigen. Aber hinsichtlich des Namens ist es Euch sehr gut ergangen; denn Ihr wäret kein guter Kürschner und konntet, da Ihr zu keiner Verrichtung tauglich seid, nicht anders leben, als wenn (
6) Euch ein bißchen Bettelei ein elendes Einkommen verschafft.
IV. Einen anderen Rat gäbe ich Euch gewiß nicht, denn ihr wäret kein guter Knappe, und das Streitroß eines andern würde Euch nicht folgen, außer wenn der Zügel am Sattelhaken befestigt würde, und da Ihr nach so guter Versorgung Verlangen habt und ein Vielfraß und Feinschmecker seid, so dürfte Euch wohl kein Kloster Unterkunft, Almosen und Stiftstelle geben; seid Ihr doch (
7) wenig dazu geschaffen, das Kollektenbuch zu schreiben.
V. Ist es mithin klar, daß Ihr kein guter Klosterverwalter sein würdet, so nehmet möglichst bald Quartier, bevor das Gasthaus überfüllt ist. Da ich wohl weiß, daß solch ein Taugenichts, wenn sein Unstern ihn leitet, daran denkt, recht früh aufzustehen (
8), duldet lieber, daß man ein kleines Mahl vor Euch ausbreite, als daß man Euch wegen Betrugs den Hals ganz ausrecke (
9)!
VI. Deshalb sehne ich mich durchaus nach keinem, der sich an mich hängen und mein Tischgenosse sein wollte; denn die Sauce wäre im Augenblick, da er mit einem seiner Finger hineingeraten würde, sein Eigentum (
10), und wer als
verkrüppelter Linkser (
11) — und ich sähe nicht gern, wie er tanzt — alles, was er macht, sozusagen für einen Zins (
12) tut, den führt die Freigebigkeit (
13) zu häßlichem Einkommen, denn er findet Gelegenheit, manches häßliche (
14) Opfergebet zu verrichten.
VII. Da Ihr doch der „ gemeine (
15) Spielmann“ genannt werdet, so gebt von nun an acht, daß Ihr eure Wirte nicht beschummelt oder ihnen sonstige Unannehmlichkeiten bereitet; denn an dem Tage werdet Ihr viel erreicht haben, wo Euch anderer Leute Kellermeister reichlich einschenken würde, und ich empfehle Euch, ihnen (
16) gegenüber zahm zu sein und lieber wenig Gutes, das man Euch nicht entgelten lasse, zu verlangen (
17) als nach reichen Gaben und hoher Vergütung zu trachten.
VIII. Wisset, daß ich Euch geben würde, wenn ich nur könnte; ist doch die Not groß und der Bedarf gewaltig! Daher befolget meine Weisungen, denn vielen andern ist davon Gutes zuteil geworden, und wenn Ihr dorthin gen Rodez geht und bei den Bergbewohnern vorüberkommt, so möge Euch grimmige Kälte und Unwetter nicht abhalten, zum Feste beim Delphin zu sein, und Ihr werdet nicht zu bitten brauchen, — falls (
18) er Euch anhört.
IX. Meinen Be-Conve bittet, Euch anzuhören und immer daran zu denken, daß er mehr gebe und spende!
X. Und betet zu Gott, daß er die engherzigen Reichen erniedrige, da sie Tüchtigkeit, Freigebigkeit und Feste nicht gern haben.
Fußnoten:
(1) ,Euch näher erwarte.‘ (↑)
(2) ‚Oder sich verbindet.‘ (↑)
(3) Nicht gewiß. (↑)
(4) Den Feinden. (↑)
(5) Zum Abschlagen; — dem C. war die rechte Hand abgehauen worden. (↑)
(6) ‚Wofern nur.‘ (↑)
(7) Ohne rechte Hand. (↑)
(8) Um dann unbemerkt das Weite zu suchen. (↑)
(9) Seid lieber anspruchslos und bezahlet, was Ihr dem Gastwirt schuldet, als daß Ihr über Eure Verhältnisse lebt und Euch für Prellerei schlimme Strafe zuzieht. (↑)
(10) Er könnte sie dann für sich behalten, da ich darauf verzichten würde. (↑)
(11) Der nur im Besitze seiner linken Gliedmaßen ist. (↑)
(12) Für Geld. (↑)
(13) Der andern. (↑)
(14) Weil es für Geld geschieht. (↑)
(15) Eigentlich: der „wollige“ wohl im Hinblick auf seinen Namen Cardalhac, der etwa „Wollkämmer“ bedeutet. (↑)
(16) Den Wirten. (↑)
(17) Für den Vortrag von Liedern. (↑)
(18) ,Gesetzt, daß.‘ (↑)