3. Die Handschriften sind geteilt zwischen pel bruelh espes und doutz pel defes. Die Art der Überlieferung gestattet zunächst keine sichere Entscheidung. Aber espes ist bei weitem häufiger als, in der hier vorliegenden Bedeutung, defes, und da dieses Wort in seiner Form zwischen defes und deues schwankt, war es vielleicht den Abschreibern nicht immer durchsichtig. Es begegnet aber bei Bernart wiederum 23, 15 und z. B. auch bei seinem Landsmann Giraut de Bornelh (s. Levy, defes 6). Endlich paßt bruelh espes auch dem Sinne nach nicht gut. Wir befinden uns ja im ersten Frühjahr, in welchem der Dichter Laub und Blüten erst erscheinen sieht.
5. Der Zusammenhang zwischen v. 5 und 7 ist wohl so zu verstehen: ich weiß wohl, daß ich aus Liebe sterben werde, wenn mir Liebesgenuß nicht zu teil wird. So ziemt es, daß ich der Liebe genieße.
13. Futurum exactum um das einstige Ergebnis eines vergangenen und gegenwärtigen Tuns zu bezeichnen, s. Tobler, Verm. Beitr. I², 253 ff.
15. Zwischen preyar und servir kann merces nicht die Gnade der Dame bezeichnen, sondern es muß das um Gnadeflehen des Dichters gemeint sein. Merce ist als Ausruf in Auführungszeichen zu denken, und wird als solcher in den Plural gesetzt. In analoger Weise gebraucht 35, 17 rendre laus e merces e gratz das Wort in der Bedeutung „Dank“.
19. Jauzimen steht schon v. 5. Dort hat N chauzimen, hier CG dasselbe chauzimen, PR pauc d’ensenhamen. Die Art der Überlieferung gestattet nicht in v. 19 chauzimen, das in der Bedeutung „Erbarmen“ gut passen würde, einzusetzen.
21. Die Hdss. weichen sehr stark ab, wohl weil sie das Wort requisit nicht verstanden. Der Dichter will sagen, daß die Dame sich schuldig machen wird, wenn sie ihn sterben läßt, und so wird er von ihr zurückgefordert werden. Und zwar bedient er sich eines juristischen Ausdrucks. Ein réquisitoire ist ja noch jetzt die Anklageschrift eines Staatsanwalts („acte du ministère public énumérant les charges qui pèsent sur l’accusé et requérant contre lui“ sagt das Dict. général).
23. Es ist wohl nicht zu verstehen: sie hätte ihr Verlangen erfüllt, sondern: sie hätte es als ein erfülltes, denn nicht, daß sie selbst ihn töten wolle, setzt der Dichter voraus, sondern, daß ihr Wunsch sei, ihn tot zu sehen. — Im Folgenden schreiten die Gedanken sehr schnell fort, fast zu schnell, aber der Art Bernart’s nicht widersprechend: „wenn sie mich aus meiner Pein erlöste, indem sie mich tötete, würde sie etwas tun was mir willkommen ist. Ich glaube aber nicht, daß sie mir etwas antun wird, was mir gefallen könnte. (So wird sie mich also nicht töten. Welches aber ist ihr Grund, mich am Leben zu lassen?) Etwa, daß sie sich davor entsetzte, mich zu töten, daß sie etwa Reue über ihr Benehmen fühlte? Und nun ganz unvermittelt die triumphierende Zuversicht des Dichters, daß die Dame seine Empfindungen denn doch nicht unerwidert lassen kann. — So scheinen sich mir die Gedanken des Dichters sehr glücklich aneinander zu reihen. Zugleich aber zeigt der Inhalt der Strophe, daß das Lied seinem Ende zueilt. Die 7. Strophe bringt zwar noch einmal den Rückschlag mutloser Stimmung (v. 45), zugleich aber die abschließende Gewißheit, daß die Liebe zur besten Frau dem Dichter auf alle Fälle zur Erhöhung der eigenen Persönlichkeit verhilft. So werden wir, gegen alle Hdss., diese, bisher vierte, Strophe unmittelbar vor 7 zu stellen haben.
35. C’amors segon ricor no vai zitiert Raimon Vidal unseren Dichter in So fo el temps v. 47.
46. Voler steht zwar schon v. 23 im Reim, aber dort als Subst., hier als Verb. Es liegt also kein Bedenken vor, das falsche aver (s. v. 44) in ADIKV durch dieses Wort zu ersetzen.
48. Wir erwarten e·n sui plus gais. Soll man hier einen frühzeitigen Deklinationsfehler sehen, oder darf man gai als Adverb betrachten (vgl. zu len die Anm. 3, 10, und s. Levy gai 2), oder hat V mit seinem e m’eu faz gai das Richtige bewahrt? |