2. Die Hdss. DIKSia haben josqu’a sai oder ähnlich (CM mit mas quar sind ihnen anzureihen). Daß sai nicht das Richtige sein kann, zeigt v. 6; wir befinden uns in der Winterszeit. So ist also jedenfalls lai in R korrekt. Ob entro lai oder josqu’a lai bleibt fraglich. Für entro spricht nicht nur, daß es mit lai in R steht, sondern auch, daß entro 25, 84 bezeugt ist, während josqu’a, vielleicht zufällig, bei Bernart nicht vorkommt.
10. Aus diesen beiden Versen scheint hervorzugehen, daß Bernart im Begriff steht von der Geliebten zu scheiden.
13. grazir ist die dankbare Äußerung des Lobes, welches der Dichter für die Geliebte in seinem Herzen findet.
15. vostra bon’ aventura „das Gute, das mir von Euch zukommt“. Aventura begegnet oft bei Bernart und nicht immer ganz natürlich eintretend, so daß man in der Tat eine Absicht, eine Anspielung darin vermuten könnte, wie Zingarelli getan hat. Aber auch bei anderen Trobadors ist das Wort recht häufig. Es wird wohl oft durch die Reimendung herbeigeführt worden sein.
18. Zu lo plus ist zu erinnern, was Ebeling zur Auberee v. 544 über le soreplus (auch prov. lo sobreplus) gesagt hat. Auch seine Beispiele für das Gegenüberstellen von baisier und le soreplus sind zu vergleichen.
22. Die Abweichungen der Hdss. legen nahe zu denken, daß der Vers in der Quelle um eine Silbe zu kurz war. Ob trobi in R ursprünglich ist oder für trop eingeführt wurde, um eine Lücke zu füllen, ist kaum zu sagen, s. das Kapitel über die Sprache § 23. Ich habe trobi hier stehen lassen; aber man kann ebensowohl mit DIK be ergänzen.
25. An der Ursprünglichkeit von reduire ist wohl nicht zu zweifeln. Das Wort ist in gleicher Verwendung aus der Trobadorsprache m. W. nicht belegt. Aber neuprov. heißt au reduire „à la rentrée des récoltes“ und dann weiter „en résumé, en somme“, so daß wir „schließlich“ übersetzen können. Levys Frage, ob das hier genügt, dürfen wir bejahen.
Dieser Vers muß sich direkt an v. 23 anschließen und der dazwischen stehende eine Parenthese bilden, denn daß die Freude zur Qual wird, kann die Mahnung bringen mäßig und verständig zu sein, nicht aber begründen, daß Verstand und Maß kurze Zeit währen.
30. R liest mit DIK mos. Das Zusammentreffen wird zufällig sein, denn an der Richtigkeit von mas ist nicht zu zweifeln; die Form mos aber, welche freilich bei Levy V, 27 mehrfach belegt ist, wird man hier nicht anerkennen wollen. Die ganze Stelle bei Levy unter dezasegurar II, 216, wo aber die Strophe als unklar bezeichnet wird.
31. Auch hier wird R mit dem Plural sas grans beutatz das Richtige überliefern ( vgl. 16, 43).
34. Wenn sie ihren Wert schätzt, wenn sie vergleicht, was sie ist und wie wenig ich bin, wird sie sich zu gut für mich halten, und die Neider werden sie darin bestärken.
36. Adiramen ist nicht recht klar: „sie werden ihr Verdruß sagen“, entweder was mir zum Verdruß gereicht, oder was den Verdruß der Dame, ihren Unwillen gegen mich, erregt.
37. Das von sämtlichen Hdss. überlieferte li ist wohl mit Sicherheit durch lor oder los zu ersetzen ( servir regiert bei Bernart sowohl den Dativ wie den Akkusativ, s. Glossar).
39. CIKM haben que ab für que sab, jedenfalls weil ihre Vorlage ques für die Hiatusform hielt, ein Beweis, daß ques statt que vor Vokal in ihrer Quelle geläufig war.
41. s. Wilhelm v. Poitiers VII, 25: Obediensa deu portar A motas gens, qui vol amar.
43. Vita nova, c. XI: ... neun nemico mi rimanea; anzi mi giugnea uua fiamma di caritade, la quale mi facea perdonare a chiunque mi avesse offeso; e chi allora m’avesse domandato di cosa alcuna, la mia risponsione sarebbe stata solamente: Amore. Aber bei Bernart ist es Nützlichkeitserwägung, wenn er Feinde nicht kennt, bei Dante Folge der Süßigkeit, die seine Seele erfüllt.
44 f. Es ist die Frage, ob man d’amor zu conquer oder zum folgenden tot lo pejor ziehen soll: „man gewinnt ihn in Beziehung auf Liebe“ oder „den in betreff der Liebe Schlimmsten“. Das Letzte ist wohl vorzuziehen.
48 f. Die Verse sind von den Kopisten in verschiedenster Art mißverstanden; aber das Ursprüngliche läßt sich mit ziemlicher Gewißheit herausschälen. Fraglich bleibt, ob v. 49 No·s podon oder No·ls pot om gelesen werden soll. Vielleicht hat in der Vorlage nons (= non·s) podō gestanden und das ist für nous verlesen und als no·ls aufgelöst. Am angemessensten ist doch der Gedanke, daß sich diejenigen, welche Amor schaden wollen, dadurch selbst herabsetzen.
Deschantarist vielleicht nicht als bloßes „verspotten“ aufzufassen, sondern der Begriff des Singens mag darin noch zu erkennen sein: „wenn sie Schlechtes von Euch singen“. Dann liegt hier eine Polemik gegen Genossen des Dichters vor, welche (wie etwa Marcabru) die Liebe geschmäht haben. Aber dazu paßt freilich nicht sehr gut die Absicht des Dichters, sich diesen Verächtern der Liebe dienstfertig zu erweisen, wie ich doch glaube, daß v. 37 sich an v. 54 schließen soll (s. unten), sondern das weist eher auf höhergestellte Widersacher der Liebe.
53. tot per sordeg d’amor „ganz zum Übel der Liebe (beschaffen oder gewillt)“ gehört wie partit de Deu als Apposition zu cist.
56 f. Es ist nicht nötig, hier eine Hindeutung auf Eble von Ventadorn zu sehen, sondern es kann als plus cortes e que mais sap d’amor die geliebte Dame gemeint sein, und nur durch eine falsche Auffassung dieser Stelle mag dann die, an sich freilich nicht unwahrscheinliche, Nachricht (wir kennen ja Eble als Trobador) entstanden sein, daß Bernart das Singen von Eble von Ventadorn gelernt habe.
Auch daß das Lied in Ventadorn gedichtet sei, geht aus den Versen nicht hervor. Sie mögen nur den Sinn haben: ich Bernart von Ventadorn werde nie aufhören zu singen und so wird Ventadorn stets einen Sänger haben. |