4. Sowohl dobla mos jois wie poya mos chans können sich auf andere Stellen Bernarts berufen: poya mos chans auf 44, 7 (und zwar dort gerade nicht in der Fassung der Hds. V, die hier diese Worte zeigt, sondern in der Fassung ADIK), dobla mos jois auf 28, 27 (wo wir allerdings mos jois in m’amors korrigierten) und auf verschiedene analoge Vorkommen von doblar ( s. Glossar). Das Additionsexempel, dem zufolge die Freude am Frühling mit der anderen Herzensfreude zusammen eine doppelte Freude ausmacht, ist nicht gerade poetisch; auch paßt dobla nicht so gut wie poya zu nais e creis e brolha; aber poya mos chans steht nur in V, das selbst von CMRa im Stich gelassen wird. Es müßte also V allein hier die richtige Lesart überliefert haben.
6. cra(s) in CGMRV ist hier sehr wohl am Platz. So ziehen wir auch im folgenden Vers die Lesung dieser Hdss. vor.
8. crezatz, oder mit QVa cuidetz.
12. Die Hdss. der Gruppe CGMRVa gehen in diesem Verse so auseinander, daß in ihrer Vorlage offenbar irgend etwas nicht in Ordnung war. Vielleicht fehlte cal (das freilich auch in ADIKP hinzugesetzt sein kann).
15. Ich nehme an, daß Qar in MV von den Schreibern für das gleichbedeutende, aber mißverständlichere Mas eingeführt ist.
17. In der Fassung der Gruppe A würde man den häßlichen Hiat que esser durch Einführung der Form qued oder quez aufheben können. Aber die andere Gruppe hat ihn ja von vornherein vermieden.
18. Um der viermaligen Wiederholung des Subjekts amors aus dem Wege zu gehen, folge ich der Gruppe A.
20. Zwischen greu und pauc ist schwer zu wählen. GM weichen von CQVa ab. Das zeigt eine gewisse Unsicherheit der Überlieferung in dieser Klasse.
25. mal sal ist die Verneinung von sal wie mala merce 41, 26; 43, 37 die Negation von merce, mal sembla 43, 45 die Verneinung des Scheines, mala fe Boeci v. 122, 125 die Treulosigkeit. So heißt mal sal(v) es „es ist nicht wohlgetan“ wie 28, 42 aver sal „gut angewandt haben“. In der Fassung von V : es be sal que ja doncs no m’acuella scheint sal „sicher, gewiß“ zu bedeuten.
26. ,Ich selbst helfe ihr, der Beleidigten, zu ihrem Recht’.
32. autrui amor in Gruppe A würde die „Liebe zu irgend einem Anderen“ sein, mit Außerachtlassung des Geschlechts, also Mann oder Weib. Das könnte freilich als noch stärker gelten als autr’ amor. Aberes kommt doch nur die Liebe zu einem Weibe in Betracht, und so ist autr’ amor das Natürlichere. Neben autr’ amor mußte aber noch eine Silbe den Vers vervollständigen. Vielleicht fehlte diese in der ersten Quelle, daher einerseits autrui der Gruppe A, andererseits die Abweichungen der anderen Gruppe.
39. An der Lesart de sus del chap kann bei der Art der Überlieferung kein Zweifel sein. Was aber heißt das? Die folgenden beiden Verse beschreiben die Commendatio des Sängers. Die mit den Flächen zusammengelegten Hände (mas mas jonchas) bot der Vasall knieend (no·m volh mais d’a sos pes mover) dem vor ihm stehenden Herrn dar, der sie in seinen Händen empfing (commendare manus suas in manus alicujus, s. Karl von Amira, die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, Abhdlg. der Kgl. Bayer. Akad. d. Wiss. I. Kl., XXIII, 2. Abt., 1905, S. 242 ff. und die dort angeführte Literatur). Zur Commendatio gehört offenbar auch schon, was in diesem Vers gesagt wird. Bei Chéruel, Dictionnaire historique des Institutions, Mœurs et Coutumes de la France werden unter Hommage mehrere Huldigungszeremonien beschrieben, bei denen der Huldigende Gürtel, Schwert und Schild, oder Hut, Handschuh und Degen vor dem Eide ausliefern mußte und sie erst später wieder erhielt. So könnte hier mit dem gatge de sus del chap die Kopfbedeckung gemeint sein, welche der, nicht Schwerttragende, Dichter zum Zeichen der Huldigung ablieferte. Vermutlich handelt es sich aber um einen viel ursprünglicheren Brauch. In fränkischer Zeit galt bekanntlich das Abschneiden des Haares als Zeichen der Abhängigkeit (s. Victor Ehrenberg, Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, Weimar 1877, S. 51 ff., wo auf Ducange s. v. capilli und auf Grimm, Rechtsaltertümer, S. 147 verwiesen wird). Später wird zwar das Haar nicht mehr abgeschnitten (wie es allerdings bei der Tonsur der Geistlichen als Zeichen der Unterwerfung üblich blieb), aber „der Herr ergreift zum Zeichen der Ergebung in die Unfreiheit das Haupthaar des Schützlings“ (so Ernst Mayer, Italienische Verfassungsgeschichte von der Gotenzeit bis zur Zunftherrschaft, I, Leipzig 1909, S. 210, der darauf hinweist, daß dieselbe Form auch in Frankreich verwendet wurde, vgl. die bei Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 442 angeführte Literatur). Ob nun hier nur das Anfassen oder noch das Abschneiden des Haares gemeint ist, mag dahingestellt bleiben. Der Wortlaut läßt eher an das Letztere denken.
40. li venh oder li·m ren? Die vorhergehende Zeile enthält schon ren, und achtlose Niederschrift wird eher rendre für venir als venir für rendre eingeführt haben.
44-46 stehen wieder in den beiden Hdss.-gruppen scharf gegenüber.
Gruppe A:
L’aiga del cor ...
m’es ben guirens qu’ieu penet mon dampnatge
e conosc ben qu’ieu ai dich gran folatge
(car ai dich so que so’ amor mi tolha).
Gruppe V ungefähr:
L’aiga del cor ...
m’es ben guirens qu’ieu penet mon folatge,
e conosc be, midons en pren damnatge,
s’ella tan fai que perdonar no·m volha.
Ich entscheide mich für Gruppe V, denn 1. steht tolha schon v. 10 im Reim, 2. ist penedre son damnatge v. 44 eine fragliche Verbindung, 3. bietet Fassung V einen geeigneten Übergang zu den folgenden Versen, 4. ist das Vergehen, dessen sich der Dichter schon vorher anschuldigt, nicht eines des Sagens, wie Gruppe A hier annehmen läßt, sondern ein Vergehen der Tat (s. v. 23, 24, 32). — Zu einer sicheren Lesung der Verse 45, 46 in der Gruppe CGMVa ist aber leider nicht zu gelangen. Die Hdss. weichen stark ab, vor allem in v. 45, und vielleicht erklärt gerade dies, die Folge einer Unklarheit in der gemeinsamen Vorlage, die gänzliche Änderung in Gruppe A. — Gegenüber mas in Ca, das zunächst besticht, müssen wir bei der Übereinstimmung von GMV mit Gruppe A bei e bleiben, das auch vom Gedanken gerechtfertigt wird. Da der Dichter seinen Fehler bereut und sich wieder ganz in den Dienst der Dame stellt, ist die Gewißheit, daß der Schaden beim Verlust ihres Lehnsmannes ihr zufällt, die Folge, nicht ein Gegensatz zum Vorhergesagten. — Als Verbum vor damnatge wird durch prendre M, pren Ca und perd G wohl pren (vermutlich in der Schreibung prend) für die Vorlage bestimmt. So ist wenigstens das Wesentliche des Verses festgelegt.
48. AG haben cella oder ähnlich, CIKa ella (o. ä.), MV ill (o. ä.), NQ celui, DPR fehlen. Eine Vereinigung ließe sich ungefähr herstellen, indem man pert s’ella, mit se als ethischem Dativ, liest. Aber von Sicherheit bleiben wir auch hier entfernt. — V bietet wieder für sich allein eine wohl annehmbare Lesung.
51. Aus den Abweichungen der Hdss. in verschiedener Gruppierung (GM stellen sich in ma tout zu Gruppe A, in el saber außer ihnen noch V, das im ersten Versteil tol sai hat) kann man schließen, daß die Vorlage unvollständiges que cill que·m tolc lo sen el saber bot. Die Ergänzung der fehlenden Silbe kann dann in sehr verschiedener Art erfolgen. So wie sie durch m’a tout oder durch das an sich beachtenswerte tol sai vorgenommen worden ist, zerstört sie die Caesur, ohne Ersatz dafür zu schaffen. Vielleicht ist zu lesen: mo sen e mo saber.
IX. Die zweite Tornada ist wohl wieder eine von denen, die bei einer späteren Versendung den Gedichten hinzugefügt wurden. |