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Ernst, Willy. Die Lieder des provenzalischen Trobadors Guiraut von Calanso. "Romanische Forschungen", 44, 2 (1930), pp. 255-406.

243,008a- Guiraut de Calanson

1. solon far doler. Das praes. von soler „von einem nicht der Gegenwart angehörigen Thun verwandt” findet sich häufiger. Vgl. Levy SW 7, 784, der verweist auf Ebeling, Archiv 103, 423–24.
 
6. alhor. Fabre, A. d. M. 23, 175 übersetzt: „quand il aimait ailleurs”. Alhor hat hier den auf eine Person bezüglichen Sinn „eine andere”. Vgl. auch Stimming, B. d. B., Anm. zu 33, 13; Kjellman, R. Jordan, Anm. zu I, 32; Bosdorff, Bernard von Rouvenac S. 66, Anm. zu IV, 34.
 
7. mi fai semblar. Subjekt ist voler (v. 4).
 
14. lai on = on.
 
15–16. Mahn, Werke II, 56, druckt nach I diese Verse, als ob sie verstümmelt wären, was aber nicht der Fall ist.
 
18. Menandres. Die Lesarten von CR (s. Varianten) sind unverständlich. Es handelt sich um den bekannten vielgewundenen Mäandros (heute Bujuk– Meinder) in Kleinasien; „lai on cor Menandres” dient also als Bezeichnung der östlichen Himmelsrichtung. Auffällig ist die Schreibung mit n. Arnaut Daniel (Gr. 29, 4, Cobl. 5) hat „Tigris e Meandres”. Handelt es sich um eine Falschschreibung in sämtlichen Hss. oder liegt Verwechslung mit dem allerdings sonst von den Trobadors nicht erwähnten bekannten griechischen Lustspieldichter Menander vor? Dann möchte der Irrtum bei dem Dichter selbst liegen.
 
19. „Belhs Diamans”. Vgl. Einleitung, S. 266; 277 (und Anm. zu Nr. 2, v. 71).
 
20. bels dias. Zu beachten ist das Wortspiel Belhs Diamans :bels dias.
 
23. faitz de vezer e d’auzir. Die Infinitive haben passivischen Sinn; vgl. Schultz– Gora, Elementarbuch §185. Ich verstehe: Taten von der Eigenschaft, daß man von ihnen sieht und hört.
 
24–26. Der Vergleich ist unklar durchgeführt. Es ist nicht einzusehen, wieso man in einem beliebigen Spiegel mancherlei schöne Farbe erblicken kann. Die Unklarheit ist wohl durch Kontamination zweier Vorstellungen veranlaßt: den provenzalischen Dichtern sind Vergleiche der Dame mit einem Spiegel oder einer schönfarbigen Blume etwas sehr Geläufiges. Miralh und flor finden sich oft nebeneinander (vgl. etwa Stössel §128). So scheinen sich vermischt zu haben die Gedanken: „ihr seid ein Spiegel für alle, indem ihr alle hervorragenden Charakterzüge wiederspiegelt”, und „ihr seid die schönste von allen schönfarbigen Blumen, die die Augen nur erspähen können”, v. 26 würde den Vergleich von v. 24 durchführen, v. 25 paßt nicht.
 
30. lai ist (wie in v. 33) als auf eine Person bezüglich aufzufassen. So auch R. Jordan (ed. Kjellman) IX, 3; XII, 7. Vgl. Levy SW 4, 302: lai 10.
 
33. lai on plus an sabor. Subjekt ist dos; ich verstehe: wo sie (die Geschenke) am freundlichsten aufgenommen werden.
 
36. Elis, la comtessa de Flandres; gemeint ist Elisabeth–Isabella von Flandern, die Gattin Philipps von Elsaß (des Patrons Chrétiens von Troyes) seit 1155, Gräfin von Vermandois und Valois seit 1167, gestorben 1183. Vgl. Bergert, S. 19.
Die in diesem Verse enthaltene Anspielung wollte Birch–Hirschfeld, Epische Stoffe S. 77, auf die Chanson des Enfances Godefroi beziehen. Diese Annahme wurde von Chabaneau, R. d. l. r. 23 (1883), S. 99, widerlegt, und G. Paris, Romania 17 (1888) (1), S. 592, Anm. 1, bestätigte und stärkte diese Ausführungen Chabaneaus, der allerdings auf eine Identifizierung der Anspielung verzichtet hatte. G. Paris weist nun hin auf E. Trojel, Middelalderens Elskovshoffer (Kopenhagen 1888), S. 83–85, der die Stelle auf Elisabeth Isabella von Flandern bezieht, ebenso wie eine Stelle in Francesco da Barberinos „Documenti d’amore” (A. Thomas, S. 116, 181) und einige Verse bei Sordel, Gr. 437, 6, Cobl. 1 (M. G. 4, 98); diese drei Stellen hatte auch schon Chabaneau (a. a. O.) zusammengehalten. G. Paris hält die Identifizierung mit der Elisabeth Isabella für evident, glaubt aber nicht, daß die Erzählung bei Fr. da Barberino einerseits und die Verse an unserer Stelle und bei Sordel andererseits sich auf dieselben Ereignisse beziehen. Ob Sordel, der später dichtete als Guiraut von Calanso, darauf anspielt oder überhaupt an die genannte Gräfin von Flandern denkt, erscheint in der Tat zweifelhaft, zumal er (worauf G. Paris hinweist) gar nicht von einer Gräfin von Flandern spricht und auch sagt, daß die von ihm erwähnten Vorgänge erst „l’autrier” geschehen seien. Die Beziehung zwischen unserer Stelle und der bei Fr. da Barberino lehnt G. Paris ab, weil es sich hier handele „d’une comtesse de Flandres qui, en faisant trop languir son amant, a causé sa mort; . . . . Guillem de Saint–Didier (Anm.: ou Guiraut de Calanson) en tire . . . une leçon à l’adresse des dames qui font trop attendre leur réponse aux requêtes d’amour. Cela ne s’applique guère à l’évènement tragique dont parle Raimon de Miraval, le ‘Miraval provincialis’ de Barberino” Der Bericht bei Fr. da Barberino lautet: „Refert Miraval provincialis quod crudelis mortis, quam intulit olim comes Flandrie in dominum Raembaud militem suum, causa fuit quoddam suspirium, quod ille miles emisit, dum serviret eidem, presente domina comitissa. . . . Unde nota quod, in similibus casis, ista suspiria periculosa sunt valde. Et aliquotiens ob hoc perdis quod, propter servitia, promereris. Nam ex hoc presummunt aliquando domini te dolere quod ad illorum sis servitia dedicatus. Aliquando quod multum tedeat te servire. Aliquando quod in illos non bona intentione cor geras atque similia.” (Fr. da Barberino, I documenti d’amore, secondo i mss. orig. a cura di Francesco Egidi, fasc. IV, Roma 1905, S. 270–71.) Crescini, Nuove postille al trattato amoroso d’Andrea Cappellano S. 46, bemerkt hierzu sehr richtig: „Non s’era diretto il sospiro alla contessa, ma al conte: non era stato un sospiro d’amore, ma un sospiro di noia. E la presenza della contessa è accennata per questo solo, ch’essa rendeva auche più acuto e men tollerabile il fare scortese del disgraziato Rambaldo.” Diese Ausführungen bekräftigen die Annahme von G. Paris, dessen Argumentation aber insofern nicht richtig ist, als an unserer Stelle nur die Rede davon ist, daß Elis, die Gräfin von Flandern, ihre Freude vernichtete, da sie ihren Liebhaber nicht erhört hatte, nicht aber davon, daß sie „a causé sa mort”. Diese ganz allgemein gehaltenen Worte auf die bei Fr. da Barberino geschilderten Vorgänge zu beziehen, dürfte aber in der Tat nicht angängig sein. Ich verzichte deshalb darauf, etwa in dieser Richtung eine Identifizierung der Anspielung unserer Stelle zu versuchen und konstatiere nur mit Crescini (a. a. O. S. 42), daß sowohl Sordels Verse wie die unseres Dichters vermuten lassen, „che la Fiandra fosse communque rinomata nella tradizione amorosa”.
 
38. plazens. Die Hss. CR haben das grammatisch richtige Neutrum plazen, doch verlangt der Reim plazens.
 
46. Die vier Substantiva sind Akkusativobjekte, abhängig von fas in v. 47.
 
49. Alissandres. Die Hs, I schreibt dafür einen unbekannten reis Avandres, eine Lesart, die sich gegen CR als mißverstanden zu erkennen gibt. Der Name Avanres ist bei Chabaneau, Onomastique S. 37, zu streichen und diese Stelle unter Alexandre S. 12 bis 13 nachzutragen.
 
 
 
Fußnoten:
 
1) Vgl. dazu A. d. M. 1 (1889), S. 103 und 277. ()

 

 

 

 

 

 

 

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