1. esmenda eigent. „Ersatz (für irgend einen Schaden)“, hat dann die daraus sich ergebende Bedeutung von „Geschenk, Gabe“; vgl. Jeanroy, Un sirventés en faveur de Raimon VII (1216), in „Bausteine zur romanischen Philologie. Festgabe für Mussafia“, Halle 1905, p. 636.
2. grat retener = „Dank erhalten“, eine nicht seltene Bedeutung; vgl. de Lollis, Sordello di Goito, pp. 274 u. 303.
5. mal issernitz. — Mal ist hier Vertreter der Negationspartikel, wie auch im Neufranzösischen neben peu; ich übersetze „unritterlich“.
6. vuelh sia. — Die Konjunktion que ist ausgelassen. Dies ist statthaft nach Verben des Wollens, Befehlens etc.; vgl. Diez, Grammatik 1013.
9. Rei engles. — Das Subjekt des Nebensatzes ist hier, um es mehr hervortreten zu lassen, proleptisch als Objekt in den Hauptsatz genommen, eine Konstruktion, der man im Provenzalischen häufig begegnet. Ist es nicht möglich, das Subjekt in dieser Weise zum Objekt zu machen, so wird es mit de eingeführt; vgl. Stimming, B. de Born, p. 236; de Lollis, Sordello, p. 259 und den längeren Exkurs bei Strónski, Elias de Barjols, p. 47.
Der englische König ist Heinrich III. (1216—72). Seine Zaghaftigkeit und Unschlüssigkeit erfahren den gerechten Tadel des Dichters. Er hatte die Unruhen in Frankreich während der Minderjährigkeit Ludwigs IX. nicht benutzt, um seine französischen Provinzen wiederzuerlangen. Ein so anerkannt schwächlicher Charakter wie Heinrich zog es vor, seine Zeit mit allerhand Liebhabereien zu verbringen. Durch seine Unentschlossenheit scheiterte auch das 1230 ins Werk gesetzte Unternehmen, obwohl der Zeitpunkt geschickt gewählt war. „Es hätte ein gewaltiger Kampf und von welchem Ausgange erfolgen müssen, wenn an Heinrichs Stelle ein tapferer, kriegskundiger Heerführer sich die bedrängte Lage des Königtums in Frankreich zu nutze zu machen verstanden hätte“ (Pauli, Geschichte von England III, 580). Auch andere Trobadors tadeln diese Zaghaftigkeit Heinrichs. So Guilhem Montanhagol:
Engles, de flor
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Faitz capel o de fuelha.
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No·us detz trebalh,
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Neis qui·us assalh,
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Tro qu’om tot vos o tuelha
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(Coulet III, V. 41 —45).
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Dergleichen Angriffe gegen die Person Heinrichs III. von England sowie gegen Jacob I. von Aragon (vgl. Str. III u. Gedicht III, Str. II) bilden nach de Lollis, der a. a. O., p. 69—72 die hierher gehörigen Lieder aufzählt, im Provenz. geradezu einen Bestandteil der „morta gora del convenzionalismo“.
11. per trop temer. Durch die Ernennung Alfonsens zum Grafen von Poitou wurde Richard, dem Bruder Heinrichs III., der den durch Eleonore an die Plantagenets gebrachten Titel eines Grafen von Poitou führte, eine schwere Beleidigung zugefügt. Sie wurde zwar in England tief empfunden, doch hätte sie allein wohl kaum den zaghaften König veranlassen können, in die Erhebung mit einzugreifen; er gab nur endlich den dringenden Bitten der Gräfin von der Marche, seiner Mutter, nach; vgl. Pauli, Geschichte von England III, 646.
14. que par que si’endormitz beseitigt den Hiatus der anderen Lesart: sia adurmitz.
15. en plas perdos. — Diez übersetzt diesen Ausdruck mit „ohne Umstände“; Raynouard, Lex. rom. s. v. „en pleine liberté (tout à son aise)”. Auch altfranzösisch ist eine ähnliche Wendung vorhanden: en perdons. Godefroy, Dict. de l’ancien français s. v., erklärt sie durch „librement, franchement“. Vgl. dazu noch Bohs, Abrils issi’, p. 113 (Anhang).
16. Tors et Angieus e Normans e Bretos. — Touraine, Normandie und Anjou waren zwar schon durch Philipp August dem Johann ohne Land entrissen worden, aber Heinrich III. betrachtete, ebenso wie sein Vater Johann, das Urteil als ungültig, das die Pairs von Frankreich im Jahre 1204 ausgesprochen hatten. Dreimal machte er Versuche, diese Provinzen mit bewaffneter Hand wieder an sich zu reissen (1225, 1230, 1242). Allein sie blieben ohne Erfolg, bis er im Vertrage von Paris 1259 endgültig Verzicht leistete.
17. Reis d’Arago. — Wegen Auslassung des Artikels vor reis vgl. Meyer-Lübke, Grammatik der rom. Spr. III, 192.
Das Urteil des Dichters ist in dieser ganzen Strophe stark von seiner Leidenschaftlichkeit beeinflusst. Jakob I. von Aragon ist gewiss ein Herrscher, der für sein Land Grosses getan hat, und einige kleinere Verluste, die er, während sein Blick auf grössere Angelegenheiten gerichtet war, in Südfrankreich erlitt, können seinen kriegerischen Ruhm nicht schmälern.
19. Jacme — jazer. — Dergleichen etymologisierende Wortspiele finden sich nicht selten bei den Trobadors. Das bekannteste Beispiel ist wohl Montanhagols Proensa — Falhensa (Coulet, p. 99.); vgl. Tobler, Verblümter Ausdruck u. Wortspiel in altfranz. Rede. Verm. Beitr. II, 226. S. noch die kühne Etymologisierung von Fredericx —fre de ricx (Zaum von Hochgestellten) bei Tobler, Der prov. Sirventes „Senher n’enfantz, s’il vos platz“ in Sitzungsb. der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. z. Berlin 1900, p. 239.
Die spöttische Ableitung des Namens Jacme von jazer (liegen), also Jacme = ich liege (me Pronomen), enthält wohl nicht nur den Vorwurf der Trägheit, sondern hat noch eine besondere Spitze. Man weiss, wie sehr dieser König der Mätressenwirtschaft huldigte. Jakob scheint diesen Hang zu den Weibern von seinem Vater Pedro II., dem „hom de fembres“, wie ihn die Chronik Jacobs nennt, geerbt zu haben, von dem man berichtet, er habe noch die Nacht vor jener verhängnisvollen Schlacht von Muret in den Armen einer Mätresse verbracht (vgl. De Vic et Vaissette, Hist. générale de Languedoc VI, 429). Dieselbe Leidenschaft zeigte sich bei seinem Sohne und wohl in noch stärkerem Masse; vgl Tourtoulon l. c. I, 249; II, 352. In diesem erotischen Sinne wird jazer aufzufassen sein, wodurch das Wortspiel zu einer pikanten Spitze gegen den König wird. Über diese Bedeutung von jazer vgl. Levy, Prov. Suppl.-Wrtb. s. v.
22. sol res no = „nicht einmal“.
i contraditz. — Contradire wird im Prov. auch mit dem Dativ verbunden (vgl. Levy, Suppl.-Wrtb. s. v.), wie in der Verbindung mit y auch im Neufranzösischen noch; vgl. Plattner, Ausführliche Gramm. Ergängungsheft n. 2, p. 75.
23. „Und teuer verkauft er dort den treulosen Sarazenen die Schmach“, d. h. er rächt sich bitter für die Schmach an den treulosen Sarazenen. Jakobs Siege über die Mauren, seine glänzenden Eroberungen der Balearen (1229—32) und von Valencia (1238) waren zu bekannt und gefeiert, als dass der Dichter es hätte wagen dürfen, sie mit Stillschweigen zu übergehen, hätte er nicht seine Absicht, ohne jede Schonung zu hetzen, gar zu deutlich zeigen wollen.
24. L’anta e·l dan que pren. — Penre hat hier den Sinn von „erleiden“. Vgl. die hierfür bei de Lollis, Sordello, p. 263 angeführten Beispiele und Coulet, Montanhagol, p. 102. Anderes Beispiel: Gaire non val, quand hom a pres lo dan. Elias Cairel Gr. 133, 11, v. 9 (Lewent, Kreuzlied, p. 43).
Der Vers bezieht sich auf die Rechte, die Jacob I. als Lehnsherr auf das Gebiet von Carcassonne hatte; 1229 war es Raimund VII. genommen worden. Einige Jahre vorher hatte Papst Gregor IX. Raimund Berengar gebeten, bei Jacob und Ludwig IX. einen Ausgleich ihrer Streitigkeiten über diesen Punkt herbeizuführen; vgl. Tourtoulon, Don Jaime, Bd. I, p. 293.— Milá übersetzt „Limos“ irrtümlicherweise mit „Limoges“.
25. son paire car venda. — Der Ausdruck ist hier etwas kurz und prägnant. Venda kommt natürlich von vendre = verkaufen. Wenn Tourtoulon l. c. II, 10 Anm. 2 meint, Milá leite es von venjar = rächen ab, so dürfte er doch wohl irren. Milá übersetzt allerdings: „Hasta que vengue á su padre“, aber daraus braucht noch nicht hervorzugehen, dass er es von venjar ableitet. Man kann selbstverständlich nicht wörtlich übersetzen. „Rache nehmen“ dürfte das Nächstliegende sein, wenn dabei auch die kühne Vorstellung des Dichters verloren geht.
Der Vater Jakobs I. ist Pedro II. (1196—1213). Man versteht leicht, weshalb der Dichter bittere Rache für den Tod dieses Königs fordert. Betrachten doch alle Trobadors, mit Ausnahme von Perdigon und Folquet, ihn mit Dankbarkeit als ihren Beschützer und wissen sein Lob zu singen. Selbst Poet, war Pedro einer der eifrigsten Gönner provenzalischer Muse, und sein Hof sah eine ganze Reihe von Trobadors (vgl. die Liste bei Restori, Hist. de la litt, prov., p. 69). Die Albigenser, in deren Reihen auch fast alle zeitgenössischen Trobadors kämpften, fanden in der äussersten Not einen mächtigen Verbündeten in der Person Pedros, dem Helden von las Navas (1212). So konnte Pons Barba (Gr. 374, 2) von ihm sagen:
Reis d’ Arragon, torn m’en a vos,
Car etz capz de bes e de nos.
(Jeanroy, Poésies prov. inédites, Toulouse 1905, p. 21).
In der unglücklichen Schlacht von Muret (12. Sept. 1213) sank Pedro in ein frühes Grab, betrauert von der Nation des Südens (vgl. De Vic et Vaissette, Hist générale de Languedoc VI, 421 ff). Der Verfasser der „Chanson de la croisade contre les Albigeois“ hat ihm hier ein dauerndes Denkmal gesetzt.
29. grans colps feritz. — Verstoss gegen die Flexionsregel.
32. Eretar en heisst hier wohl nicht „erben“, wie es Diez etc. auffassen, sondern „jemanden in Besitz einer Sache setzen“; vgl. Levy, Suppl.-Wrtb. s. v. Subjekt ist also der französische König und Objekt Alfons. „In Besitz seines Lehens will er Herrn Alfons setzen“; vgl. die sachlichen Bemerkungen in der Einleitung, Bernards Leben; Daiterung seiner Gedichte.
33. Coms de Toloza ist Raimund VII.
la renda . . . de Belcaire. — Man kann de Belcaire als abhängig von renda auffassen. Eine derartige Trennung durch einen Zwischensatz ist im Provenzalischen nicht ungewöhnlich; vgl. Diez, Gramm. 1092 A.; 1098—99; de Lollis, Sordello, p. 258. Doch hindert selbstverständlich nichts, de Belcaire als von tener abhängig zu fassen.
Beaucaire war einer der Hauptorte der Grafschaft Toulouse und wurde deshalb, wie auch Argence, von den Trobadors vielfach zur Bezeichnung des ganzen Gebietes gebraucht, vgl. de Lollis, Sordello, pp. 253 u. 258; Zenker, Peire von Auvergne, p. 31, wo unter dem Herrn von Beaucaire der Graf von Toulouse schlechthin zu verstehen ist. Die Abtretung dieser reichen Stadt im Vertrage von Paris 1229 war für Raimund VII. ein schmerzliches Opfer. Über die 1241 versuchte Wiedererlangung s. Vaissette VI, 728.
37. reis que·us es plevitz. — Vgl. p. 19. Die allgemein angenommene Existenz eines Bündnisses zwischen Raimund VII. und Jacob I. geht auch hervor aus dem Gedichte des Schneiders von Pernes (Gr. 126, 1), der dem Könige von Aragon vorwirft, dass er „mal tenc sos afics“; vgl. Jeanroy, La soulèvement de 1242 dans la poésie des troubadours, p. 14.
40. tors. — Der Plural von tor hat des öfteren die Bedeutung von „Burgen“; vgl. Stimming, B. von Born, p. 189.
40—41. pabalhos — tors. — Wegen der Endung -os im Reim mit -ors vgl. Stimming, B. von Born., p. 175 und Levy, G. Fig., p. 87.
41. Rics omes mal issernitz. — Anrede in der Form des Akkusativs statt des Nominativs.
42. Enueia·m vostres malditz. — Die Konjektur verdanke ich Herrn Prof. Zenker. Die Hs. C liest: en vey hom vostres mals ditz — R: enveio. Milá übersetzt dies mit: todos ven lo malo que de vosotros puede decirse (?) = alle sehen das Schlechte, das man von Euch sagen kann. Dies gibt offenbar keinen Sinn. Es wird vielmehr wie oben zu lesen sein. In vostres malditz vertritt das Possessivpronomen die Stelle eines Genetivus objectivus (vgl. II, 52 de vostre dir mal), eine Konstruktion, die dem Provenzalischen nicht fremd ist; vgl. Meyer-Lübke, Gramm. III, 90 und Tobler, Possessive Adjektive in selteneren Verwendungsarten. Verm. Beitr. II. 76. Die Übersetzung würde demnach lauten: „das Schmähen auf Euch verdriesst mich, es verdriesst mich, dass ich Schlechtes von Euch reden muss.“ |