Notes - Anmerkungen - Notes - Notas - Notes - Note - Nòtas

Bosdorff, Günther. Bernard von Rouvenac ein provenzalischer Trobador des XIII. Jahrhunderts Kritische Ausgabe mit Einleitung, Übersetzung, Kommentar und Glossar. Erlangen: Kgl. bayer. Hof- u. Univ.-Buchdruckerei von Junge & Sohn, 1907.

066,001- Bernart de Rovenac

Die erste Strophe des Gedichtes scheint darauf hinzudeuten, dass der Dichter im folgenden zum Kriege anfeuern wolle. Dies geschieht aber nicht: vielmehr ist der Zusammenhang dieser: Ein frischer, fröhlicher Krieg ist besser als ein Friede oder ein Waffenstillstand, durch den man geschädigt wird (und den man deshalb geneigt sein wird, nicht einzuhalten). Einen solchen Waffenstillstand hat der Infant geschlossen; er hat ihn gebrochen, indem er den Raimund Wilhelm tötete, und dadurch Schimpf auf sich geladen. (Darum wäre es besser gewesen, er hätte überhaupt keinen Waffenstillstand geschlossen, sondern den Krieg offen fortgeführt). Dies ist die Auffassung von Herrn Prof. Zenker.
 
4. gienhs. — Unter diesem Wort, das eine Abkürzung des lat. ingenium zu sein scheint (vgl. Körting, Lat-rom. Wörterbuch s. v.), sind alle die Maschinen zu verstehen, die zur Belagerung oder Verteidigung einer Festung erbaut wurden; vgl. A. Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesinger, 2. A., Leipzig 1889, II, 423.
 
5. grans colps. — Raynouard, Choix II, LXVI übersetzt „de longs cris“, was colp aber schwerlich heissen kann; wenigstens ist mir kein Beleg bekannt. Ich verstehe „Sturz (vom Rosse)“, der hörbar wird, weil es sich um den Sturz Schwerbewaffneter handelt; vgl. Appel, Prov. Chrest., Glossar: cazer gran colp = „heftig fallen“.
 
6. postatz. — Milá bemerkt zu diesem Worte a. a. O., p. 160 Anm., Raynouard gäbe keine andere Bedeutung als die von potestatz = „Macht, Machthaber“, und diese passe doch nicht im Zusammenhang. Milás Behauptung beruht jedoch auf einem Irrtum. Raynouard und schon vor ihm Rochegude, Parnasse occitanien s. v. geben unter postatz die Bedeutung von „palissade, cloison“, eine Bedeutung, die das Wort an dieser Stelle auch haben muss. Trotzdem Milá dies entgangen war, traf seine Vermutung doch das Richtige. Er erklärt folgendermassen: „que mal su grado colocan en las tablas (postz), es decir, parihuelas (Tragbahren), ó bien en un lugar cerrado por maderos y reservado á los heridos.“ Ich glaube, dass dieses letztere der Sinn der Stelle ist. Die Verwundeten werden wider ihren Willen hinter die Palisaden gebracht, d. h. in einen durch Bretter oder dergl. abgeschlossenen Raum. Raynouard, der Choix II, LXVI diese ganze Strophe in freier Übertragung wiedergibt, übersetzt: „qui, malgré eux, subissent la loi du vainqueur“. Danach scheint R. allerdings postatz nicht in unserem Sinne zu fassen, sondern es = poestatz zu setzen.
 
7. Aital der Handschrift ist ein Verstoss gegen die Flexionsregel. Es ist auffällig, dass gerade in diesem letzten Gedicht zahlreiche derartige Verstösse sich finden, ein Punkt, der für die Datierung des Gedichtes schliesslich auch von Bedeutung ist; denn „wirkliche Vernachlässigung der Flexion zeigt sich seit der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts; diese Erscheinung bildet den Anfang der Zerstörung der altprovenzalischen Kunstpoesie und macht sich bei dem Kunstdichter Guiraut Riquier schon ziemlich bemerkbar“ (Loos, Die Nominalflexion im Provenz., Marburg 1884, p. 56).
 
8. treguas. — oder tregua?
 
10. Enfant kann Nom. (wie v. 19) und Akk. sein; bei aver nom begegnen beide Konstr. Der Nom. sollte énfas lauten, doch kommt das Wort in der Bedeutung „Infant“ mit bet. erster Silbe im Prov. kaum vor; vgl. Tobler, Der prov. Sirv. „Senher etc.“ a. a. O., p. 243.
 
13. qu’ . . . no steht hier im Sinne von „ohne dass“; vgl. darüber Stimming, B. de Born, p. 258, wo allerdings die Angabe nicht zutrifft, der Provenzale besässe die Konjunktion „ses que“ nicht.
 
15. totz selhs. — Wieder Akkusativform statt des Nominativs.
 
18. a fe. — A in Verbindung mit einem Substantiv bezeichnet häufig die Art und Weise. Eine ganze Reihe hierher gehöriger Ausdrücke führt Stimming, B. de Born, p. 248 an. Weder Raynouard noch Levy kennen unsere Verbindung, die hier wohl „ehrenhaft“ heisst; vgl. ital. a fede.
 
19. fol assag. — Die Handschrift hat hier sol, was aber offenbar keinen Sinn gibt. Ich habe daher Milás Konjektur angenommen, der ja vom paläographischen Standpunkte auch keine Bedenken entgegen stehen.
 
20. sag. — Was sag bedeutet, mus zweifelhaft bleiben. Raynouard s. v. gibt dafür nur die Bedeutungen von „sac, pillage, saccagement” und übersetzt auch so. Dies passt jedoch an allen Stellen (v. 20, 24, 25, 28) nicht, auch ist es lautlich nicht gut möglich. Milá a. a. O., p. 161 Anm. 4 meint, es läge ein Wortspiel zwischen den beiden Wörtern sag in v. 20 u. 24 vor. Das erste Mal stehe es im Sinne von saco, das zweite Mal entspräche es dem spanischen sayón (Henker). Sag ist jedoch in dieser Bedeutung nirgends belegt, und anderweitig vermag ich das Wort nicht nachzuweisen. Auch Herr Prof. Levy, der mir auf meine Anfrage freundlichst Auskunft erteilte, kennt kein zweites Beispiel. Er schreibt mir: „Vielleicht war nicht in allen Versen sag das Ursprüngliche. Der Gleichstellung mit sac widerspricht doch wohl der Laut, und saçhir im Don. pro. ist doch = sazir; altprov. sachir kenne ich nicht, aber Mistral hat allerdings auch die Form saje“.
Ich vermute in sag ein Verbalsubstantivum zu span. port sajar, „einschneiden, einen Einschnitt oder Schnitt in etw. machen, schröpfen“, das Diez, Et. Wb.4, p. 486 s. v. sarrafar von scarificare ableiten will: „Sarrafar pg. aufritzen, schröpfen; wahrscheinlich entstellt aus scarificare, woraus sich auch eine andere Form sp. sarjar (scarfiar scarcar, lat. rc = sp rj), noch mehr verkürzt sp. pg. sajar, erklären muss. Man möchte arab. ursprung vermuten, da die medicin in den händen der Araber war: ihr kunstausdruck für scarificieren aber ist taracha Freyt. I, 189 a, welches pg. tarafar ergeben hätte. Das bask. wort lautet sarciatu“. Dagegen stünde nach Körting, Lat.-rom. Wb. Nr. 1964 sp. sarjar vermutlich mit sarire in Zusammenhang. Franceson, Nuevo diccionario verzeichnet noch: Saja y sajadura, der Einschnitt, das Schröpfen, und sajador = escarificador, der Schröpfschnäpper, oder sangrador, der Wundarzt, der zur Ader lässt. Ich fasse also sag als lehnwörtliche Bildung zu sp. pg. sajar = sp. saja, das Schröpfen, das Aderlassen, was sehr gut passt.
 
21. de silh tregua·s gag. — Die Verbalform gag ist = gait, Konj. Praes. von gaitar. Se gaitar heisst nach Raynouard, Lex. rom. III, 415 „se précautionner“. Das handschriftliche selh habe ich in silh geändert, da m. W. selh als feminine Form des Pronomens nicht belegt ist. Einen Beleg für silh (cilh) als Obl. sg. fem. gibt Crescini, Manualetto prov., p. CI.
 
22. que·l son cors. — Son ist im Prov. gewöhnlich die schwachtonige Form des Pronomens, ursprünglich aber auch die regelrecht entwickelte hochtonige.   Nur diese duldet den Zusatz des bestimmten Artikels.
 
30. Worauf ist i zu beziehen? Auf den Infanten oder auf die Handlung des Beschwerdeführens? Im ersteren Falle ist die Ausdrucksweise wörtlich zu nehmen: „Jeder möge seine Hände für sich auf ihn legen“, d. i. also sich seiner Person bemächtigen. Im zweiten Falle ist der Ausdruck figürlich: „Es möge dabei ein jeder für sich mit eingreifen“.
 
32. Die Handschrift schreibt hier „ostenra pus que rabia de cas“. Ein Verbum „ostenre“, das die Bedeutung „zeigen“ hätte haben müssen, ist im Prov. m. W. nicht belegt. Für das Altfranz, gibt Godefroy nur ein einziges Beispiel. Raynouard, Lex. rom. unter rabia übersetzt allerdings: „montrera plus que rage de chien“. Ich möchte jedoch vorschlagen, abzuteilen: o·s tenr’a pus que rabia de cas. „Se tener“ heisst hier wie III, 24 „sich benehmen“. Die Stelle würde also heissen: „oder er wird sich mit mehr als Hundewut benehmen“, d. h. schlimmer als ein wütender Hund.
 
33. Al vesconte de Cardona. — Damit ist Ramon Folch, Vizgraf von Cardona, gemeint. Das Haus Cardona war neben dem Hause Moncada das mächtigste und berühmteste Kataloniens. Nach Febrer (Trobas dels linatges de la conquista de Valencia) stammt diese Familie von Pippin dem Kurzen ab. Der Name Cardona selbst kommt von der Stadt Cardona in Katalonien, die den Titel eines Herzogtums führte. Saint-Allais, Nobiliaire universel de France t. XVI, 317, Paris 1876, sagt bezüglich des Alters dieses Hauses: „Cette maison est tellement ancienne, qu’on trouve des preuves de son existence longtemps avant 1040“. Das Haus Cardona knüpfte Verbindungen an mit dem Königshause von Aragon und den hauptsächlichsten Familien Europas. Der Vizgraf Ramon Folch spielte eine grosse Rolle unter der Regierung Jakobs I. Er leistete diesem grosse Dienste, so im Aufstand des Jahres 1226 (vgl. Tourtoulon l. c. I, 204), und zeigte sich als einen getreuen Vasallen und ergebenen Freund des Conquistadors. In den letzten Zeiten der Regierung benahm er sich jedoch mehrfach rebellisch. Er mochte wohl bei der immer mehr zunehmenden Macht des Königtums für seine eigene Besorgnisse hegen. Ein älterer Zweig des Hauses Cardona wurde nach Frankreich verpflanzt und leistete auch hier dem Staate treffliche Dienste. In den Lettres-Patentes Heinrichs IV. finden wir seine Filiation aufgestellt; vgl. Saint-Allais l. c, p. 318.
desplei eigentlich „déployer“ hat hier die figürliche Bedeutung „widmen“. So finden wir es ausser in dem von Raynouard, Lex. rom. V, 556 zitierten Beispiel aus Peire Cardenal auch noch bei Cercamon (ed. Déjeanne in Annales du Midi, 1905, Gedicht III, v. 36): S’es qi be·l chant ni be·l desplei.
 
34. alhors weist hier auf eine Person hin, ein Fall der bei „ailleurs“ auch neufranz. zuweilen begegnet; vgl. Stimming, B. de Born, p. 292.
desrei. — Dieses Verbum hat verschiedene Bedeutungen; vgl. Coulet, Le troub. Guilhem Montanhagol, p. 101, der zu den von Raynouard, Lex. rom. V, 34 angeführten noch die von „attaquer“ hinzufügt. Hier hat es die Ausgangsbedeutung „tourner“.   Vgl. die Anm. zu v. 40.
 
35. Mai. — Wegen dieser Nebenform von mais vgl. O. Schultz, Die Briefe des Trobadors Raimbaut de Vaqueiras an Bonifaz I., Halle 1893, p. 78 und Levy, Suppl.-Wrtb. V, 26.
vol pretz. — Bei voler findet sich das Objekt häufig durch ein Substantiv ausgedrückt; vgl. Levy, Guilhem Figueira, p. 79. Vgl. auch bei Montanhagol (ed. Coulet IV, 10) die bemerkenswerte Stelle: Quar Dieus vol pretz e vol lauzor, was heisst: „Dieu veut que l’on recherche l’honneur et la louange.“
que laire pres mercei. — Mercei steht hier wohl dem Reim zuliebe für merce; dies findet sich auch bei anderen Dichtern, vgl. Stimming, B. von Born, p. 150. Schultz-Gora, Altprov. Elementarbuch, Heidelberg 1906, p. 18 sieht darin entweder französischen Einfluss oder einen Poitevinismus. — Stössel, Die Bilder und Vergleiche der altprovenzalischen Lyrik, Marburg 1886, führt den vorliegenden Vergleich nicht an.
 
36. don, auf einen ganzen Satz bezogen, gibt den Grund an.
crei bietet die Handschrift, nicht vei wie Milá schreibt.
 
37. pro a pretz. — Nach pro braucht im Altprov. de nicht notwendig zustehen.
qui·s vuelha so plaidei. — Dieser Ausdruck ist nur eine der bei den Trobadors üblichen Formeln ohne wesentliche Bedeutung, die, so gut es geht, den Vers schliessen helfen. Andere Ausdrücke der Art s. bei Levy, Guilhem Figueira, p. 101.
 
38. Tot vescomte. — Form des Obliquus statt des Nominativs. Wegen coms-comte in Nominativ vgl. Jeanroy, Poésies du troubadour Gavaudan, Romania 34, p. 506 und die dortigen Verweise.
qui n’a egal d’un rei = „der davon (sc. vom Wert) ebensoviel hat wie ein König“. Der Dichter stellt den Vizgrafen von Cardona Jakob I. gleich! Das stimmt zu den sonstigen Ausfällen gegen den Eroberer.
 
39. Da der Vers nach der handschriftlichen Lesart eine Silbe zu viel hat, habe ich postat für poestat eingesetzt.
 
40. desrei. — Unter den bei Raynouard, Lex. rom. V, 34 angegebenen Bedeutungen nähert sich dieser Stelle wohl noch am meisten „sortir du rang“, dann „vorgehen gegen j., verfahren“; vgl. die Anm. zu v. 34.
 
41. rei statt reis.
 
42. a volontat. — Die handschriftliche Lesung o vol tornar gibt augenscheinlich keinen Sinn. Die Konjektur a volontat, die mir evident scheint, verdanke ich Herrn Prof. Zenker. Paläographisch bietet sie keine Schwierigkeit; Verwechslung von o und a ist häufig, ebenso bekanntlich die von r und t. Die Verlesung würde sich am einfachsten erklären durch die Annahme, dass volontat mit doppeltem l geschrieben war; auch Verlesung von nt zu rn liegt nahe genug. Wegen volontat = „Willkür“ vgl. Appel, Chrest., Glossar s. v.

 

 

 

 

 

 

 

Institut d'Estudis Catalans. Carrer del Carme 47. 08001 Barcelona.
Telèfon +34 932 701 620. Fax +34 932 701 180. informacio@iec.cat - Informació legal

UAI