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Niestroy, Erich. Der Trobador Pistoleta. Halle a. S.: Verlag von Max Niemeyer, 1914.

372,006a=097,013- Pistoleta

Nach Nostradamus stand diese Tenzone auch im Chansonnier de Sault fol. 279 unter Pistoleta (s. Rom. XL, 311).
 
3. doas ist hier gegen die Regel einsilbig. In dieser Geltung fordern es zwar die Leys innerhalb des Verses, während sie es im Reime als zweisilbig rechnen (I, 46). Nach Levy, Litbl. IV, 316 zu IV, 13 aber haben die Trobadors der Glanzperiode doas stets zweisilbig gebraucht, und erst bei den späteren findet es sich auch einsilbig.
 
11. fai d’amor. ― Wegen dieser Redensart s. De Lollis, Sordello zu XXV, 2 und Levy, Sw. I, 59.
 
13. l’ami e mais. ― Die Stelle ist verderbt. De Lollis schlägt frageweise vor, l’amei eu mais zu lesen und fügt hinzu: E, con quel che precede, il senso sarebbe: ,,io l’amo più, il dieci per uno, che mai l’amassi. Doch trifft die Änderung kaum das Ursprüngliche.
 
17-8. Das Gegenteil hiervon behauptet Blacatz auch Peire Vidal gegenüber (Zeitschr. XXIII, 234): E d’ela·m platz que·m fassa guizerdon, Et a vos lais lo lonc atendemen Senes gauzir, qu’eu voill lo gauzimen ; Que loncs atens senes ioi, so sapchatz, Es iois perdutz, c’anc uns no·n fon cobratz.
 
22-3. Dies bestätigt Uc Catola, Bartsch-Koschwitz, Chrest.6, 60, 3-4: que tuit s’ajoston gai e voluntos ; mas al partir en es chascuns blasmanz.
 
26. se prezentar vas alcu „sich einstellen in der Richtung auf jmd. hin“, „sich jmdm. in Gegenwart bringen“ finde ich sonst nirgends belegt.
 
27. n’ bezieht sich auf den folgenden Vers. ― In der Handschrift hat der Vers eine Silbe zu viel, ieu ist daher gestrichen.
 
29. Über den Brauch der Trobadors, den hohen Wert einer Sache durch den Vergleich mit mächtigen Ländern und Städten auszudrücken s. Stimming, B. de B.¹ zu 9, 22. Lombardei und Provence werden auch von Gu. Augier Novella zum Vergleich herangezogen, Zeitschr. XXIII, 72 v. 41-44: Ses la vostra entendenza No volgr’ aver Proenza Ab tota Lombardia. Unter Lombardei verstanden die Trobadors das ganze Italien, s. Zeitschr. XXXIV, 706 zu 34.
 
30. Was für ein Gut hier mit dem autre ben gemeint sein könnte, ist nicht recht ersichtlich. Dem Zusammenhange nach bezieht sich der an diese Stelle gehörige Ausdruck auf die devinanza (v. 8) und die viltenenza (v. 21), die Pistoleta an den ungetreuen Liebhabern rügt. Es scheint daher geraten, das handschriftliche ben, das durch Abgleiten der Augen des Kopisten auf das ben des folgenden Verses fälschlich hierher geraten sein mag, durch ein allgemeines ren zu ersetzen, das dann auf v. 23 geht.
Die dem Verse fehlende Silbe wird am besten durch ein vor non eingeschobenes ges ergänzt.
 
32. De Lollis’ Ergänzung ia [a] Deu . . . ist weder bei Deu als Personennamen nötig noch überhaupt metrisch möglich. Der Sinn ist offenbar: „Wer für Wohltaten seinen irdischen Herrn verraten will, der darf auch Gott, seinem höchsten Herrn, niemals Treue schwören“. Es ist die Zeit der Kreuzzüge. Blacatz hat vielleicht die Kreuzzugsgelübde im Auge.
creenza. creansa (Hs.) ist ital. Form und begegnet im Prov. sonst nie. Der einzige Beleg, den Rayn., Lex. II, 509 anführt, ist nach Levy, Sw. I, 402 zu streichen, da die betreffende Hs. tatsächlich richtig crezenza liest. Auch in unserem Falle wird durch die Reimreihe auf -enza die prov. Form gefordert.
 
33 ff. Diese Strophe war schon vor Bertonis Entdeckung des Cod. Càmpori zum grössten Teil bekannt, und zwar aus dem bereits in Anm. zu VI, 10 erwähnten Glossar des Nostradamus, woselbst sie mit der Überschrift Tenson de Pistolleta et de Blacatz unter dem Stichwort Andrieu eingereiht ist „in eine Sammlung von Zitaten aus prov. Gedichten, angelegt zur Stütze der Behauptung: La plupart des poètes provensaulx, quand ils ont voulu faire comparaison d’ung qui a aimé desesperement, ils ont toujours advancé Andrieu de Fransa“ (s. Zeitschr. 24, 49), und zwar hat sie dort folgende Gestalt:
 
Senher, Andryeus de Paris
Mourit amant, so que mais hom non fez,
E l’escudier Gauzeris.
De dom Floris
Ay auzit mantas ves
Que s’en fugit, e layssa son repaire
Per Blanchaflour. (s. Rom. XL, 294)
 
Soltau, der das Bruchstück in seiner Ausgabe des Blacatz gleichfalls abdruckt (s. Zeitschr. XXIII, 239), hat demselben, ohne das Original zu kennen, bereits die richtige Strophenform gegeben (s. Zeitschr. XXIV, 49); desgleichen hat die Annahme Chabaneaus und Soltaus (s. ebenda), dass dieses Fragment ein Teil der vorliegenden Tenzone sei, durch Bertonis Entdeckung ihre Bestätigung gefunden.
 
33. n’Andrieus de Paris. ― Stroński, Elias de Barjols zu IX, 28 führt die von Birch-Hirschfeld, Epische Stoffe p. 82 f. und Bartsch, Zeitschr. II, 321 aus den Gedichten der Trobadors gesammelten Zitate der romanhaften Gestalt des Andrieu de Fransa auf und fügt ausser dem Zitat aus Barjols noch 5 andere hinzu, darunter unser Beispiel, das allerdings nicht in Str. VIII, wie dort angegeben, sondern in Str. V enthalten ist. In Zeitschr. XXXII, 616 zu IX, 28 bringt Schultz-Gora dazu 3 weitere Belegstellen bei, so dass sich ihre Gesamtzahl bis dahin auf 24 beläuft. Ein 25. Fall war Chabaneau, der von 26 solcher Beispiele spricht, wohl aus Nostradamus’ Glossar bekannt, wo sich p. 180 unter Andrieu auch ein Zitat von 2 Versen aus einem sonst unbekannten Dichter Artaud findet, s. Chab., Biogr. p. 126 und Rom. XL, 293. ― Die Gestalt des Andrieu de Paris ist uns nur aus diesen Erwähnungen der Trobadors bekannt. Der Roman oder besser die Novelle selbst (s. Birch-Hirschfeld, Epische Stoffe p. 84) ― denn um die Heldenfigur einer solchen kann es sich nur handeln ― ist verschollen, und ebenso wenig wissen wir von ihrem Verfasser (s. ebenda). Dass die Dichtung aber dem prov. Gebiet angehört, und nicht dem Norden, wie G. Paris, Manuel² p. 107 f. meint, geht aus dem Mangel gleicher Zitate in der nordfranzösischen Literatur hervor (s. Bartsch, Grdr. p. 20; Birch-Hirschfeld a. a. O. p. 84; Diez, Poesie² p. 188-9). Mehrfache Versuche von Heller, Crescimbeni, Jacob Grimm u. a., Andrieu de Fransa oder de Paris mit der historischen Person des Andrieu le Chapelain zu identifizieren, hat E. Trojel in Rom. XVIII, 473 ff. zurückgewiesen.
 
35. l’escudiers Gauzeris. ― Die Form Gauzeris ist aus Nostradamus’ Zitat übernommen; die Hs. hat gauzens,das offenbar verderbt ist. Dieser Name begegnet nur an unserer Stelle (1). Ohne Zweifel aber ist, wie Chabaneau, Rlr. XXXII, 214 zu 40, 25 bereits vermutet und Soltau, Zeitschr. XXIV, 49 als wahrscheinlich bezeichnet, unser escudier derselbe, der von P. Vidal (ed. Bartsch) 40, 25 zitiert wird: Ans non amet nulhs hom fan folamen, neis l’escudiers qu’a la taula mori, womit denn für unsere Stelle zugleich ein Kommentar gegeben wäre. Auf ein drittes Beispiel für Tod durch übermässige Liebe, das sich bei Sordello di Goito (ed. De Lollis) XXXII Str. 1findet, hat bereits Chabaneau inRlr. XXIII, 98 f. aufmerksam gemacht. Dort heisst es: Bel[s] cavaler[s] me plai, que per amor Moric l’autrer en Flandres. De Lollis in Anm. möchte Flandres in Fransa ändern und in dem cavaler den viel zitierten Andrieu sehen. Mit grösserem Rechte aber, wie mir scheint, bringt Chab. a. a. O. diesen mit einem Ritter (miles) Raembaud, dem Helden einer verlorenen Novelle des Raimon de Miraval, zusammen, von dem berichtet wird, dass er, während er seinen Herrn, den Grafen von Flandern, bei Tische bediente, durch einen Seufzer desselben in Gegenwart der Gräfin jählings getötet worden sei. Die Ähnlichkeit der Geschichte dieses Ritters mit der des escudier a la taula bei Vidal ist überraschend. Einer Identifizierung stehen aber die verschiedenen Namen und Standbezeichnungen im Wege.
Dass nach Gauzeris eine Pause einzutreten hat, wie Chab. fragt und Soltau dahingestellt sein lässt, ergibt sich aus der Fassung des Cod. Càmpori von selbst.
 
36. fetz ves und v. 42 und 44 vetz fes. ― Wegen dieser Bastardreime s. Anm. zu V, I. Wegen s statt tz s. Bernhardt, N’At de Mons p. XXXIII Anm.
Floris und Blanchaflor (v. 38). ― Der Roman von Floris und Blanchaflor stammt aus dem Nordfranzösischen, war aber bei den Trobadors, wie die häufigen Zitate beweisen, sehr bekannt und beliebt. Das vorliegende Zitat spielt auf die Abenteuerreise an, die der junge Königssohn Floris von Spanien aus unternimmt, um Blanchaflor, seine Geliebte und Jugendgespielin, die auf Betreiben seiner Eltern von Kaufleuten nach dem Orient entführt worden ist, aus der Gewalt des Amiral von Babylon zu befreien (s. Du Méril, Floire et Blancheflour ca. v. 1000 ff.). Erwähnungen dieses Romans bei andern prov. Dichtern s. bei Birch-Hirschfeld, Epische Stoffe p. 30 ff.
 
38. i kann sich ebensowohl auf repaire wie auf Blanchaflor beziehen.
In allen vier Reimen (v. 38, 39, 46, 47) hat die Hs. Formen auf utz, aber nur im letzten Falle ist eine solche grammatisch möglich. De Lollis führt daher Formen auf ut durch, vergisst aber die in v. 47 dadurch notwendig gewordene Änderung von bes in be vorzunehmen.
iagut hier in prägnantem Sinne, vgl Anm. zu IV, 29.
 
42. qi·n. ― Die Hs. qim. Der Ethikus ist aber hier wenig am Platze, es liegt wohl nur Angleichung an das m des folgenden muri vor.
·n bezieht sich auf die Liebessehnsucht, von deren tödlicher Wirkung Pistoleta in der vorhergehenden Strophe gesprochen hat.
vetz“ vale qui vezzo“,„costume“, „abitudine“ (De Lollis); cfr. Lex. V, 531.
 
44. „cella q’ieu am“ ist von Nostradamus im Glossar (s. Anm. zu VI, 10) unter „sella“ zitiert. Ob der Passus aber der vorliegenden Tenzone entnommen ist, kann bei der Häufigkeit dieser Wendung nicht entschieden werden.
tan de plazers mi fes. ― Der Sinn ist: Durch ihre vielen Gefälligkeiten mir gegenüber hat sie bewiesen, dass sie nicht gewillt ist, mich in Liebe zu Tode schmachten zu lassen.
 
45. De Lollis möchte aital statt tant schreiben. Mir scheint die Lesart der Hs. nicht unmöglich: Es kommt doch hier nicht sowohl auf die Todesart, als vielmehr auf die Tatsache des Totseins selbst an. Die scheinbare Paradoxie der Abstufung (tant)des toten Zustandes wird verständlich, wenn man bedenkt, in welch hyperbolischer Weise sonst die Trobadors mit den Begriffen Tod und Sterben in ihrer Liebeslyrik gespielt haben; tant mort heisst hier eben: so tot wie Andrieus und Gauzeris, d. i. wirklich tot. ― non ist dann mit Schultz-Gora in no·m zu ändern, s. Litbl. XXXII, 375.
l’emperaire ist Friedrich II., s. Schultz-Gora, Litbl. XXXII, 375.
 
47. Zu be statt bes der Hs. s. Anm. zu 38.
 
50. far hier prägnant, vgl. Stimming, B. de B.¹ zu 7, 12 und Levy, Sw. III, 380².
 
52. e „und doch", s. Anm. zu V, 16.
 
 
 
Fußnoten:

1) Dagegen findet sich noch einige Male der allerdings grammatisch nicht ganz entsprechende Frauenname Gauzeranda, s. Coulet, Montanhagol zu I, 11. ()

 

 

 

 

 

 

 

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