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Appel, Carl. Bernart von Ventadorn, seine Lieder, mit Einleitung und Glossar. Halle a. S.: Verlag von Max Niemeyer, 1915.

070,012- Bernart de Ventadorn

4. gram (Rayn. Levy ,,triste, morne“) hat hier natürlich den Sinn „finster, übelgesinnt“.
 
8. cadorn scheint nur an dieser Stelle vorzukommen. Rayn. führt sie zweimal an, und zwar in der aus C und ADIK gemischten Fassung aissi col peis que s’eslaissa el chandorn, unter chandorn II, 391, „de même que le poisson qui s’élance à la lueur“, und unter ama II, 61 „ainsi que le poisson qui s’élance à l’appât“. Es gebt hieraus hervor, daß er die Bedeutung nur aus dem Zusammenhang erriet (bei „lueur“ dachte er vielleicht an candorem). Bartsch hat (Glossar der Chrest.) die zweite Bedeutung „Köder, appât, amorce“ angenommen. Levy I, 183 ff. gibt keine eigene Meinung und läßt das Wort im Petit Dictionnaire aus. Mistral kennt kein *cadour(n), führt aber unser cadorn „amorce appât“ unter cadorno an, das er indes mit „vieille vache, terme injurieux en Rouergue“ übersetzt, das also mit unserem Wort schwerlich etwas zu tun hat.
Von den Varianten ist cordon in V leicht zu verstehen. Wir finden bei Mistral unter cordo „corde“ auch die Bedeutung „vermille, corde garnie d’hameçons et de vers“. So ungefähr haben wir in V auch cordon aufzufassen, und man könnte nun etwa cadorn aus cordon (cŗdon> cardon und, durch Metathese oder Verkennung des Wortausgangs, > cadorn) ableiten wollen. Aber chadorn R, chaisorn O, iasorn Q zeigen, daß wir es mit ursprünglichem ca- zu tun haben. C hat qui serca lo chādorn, also auch hier ca- und hinter dem a ein n oder m. Auch die Varianten helfen uns nicht weiter.
Ein einigermaßen ähnliches Wort hat Mistral in cafourno, das er mit „caverne, grotte“ übersetzt und dann mit „trou où se cachent les anguilles, les crabes“. Er verweist dabei auf cauno „terroir creux, cavité“, cauno dou pèis „reduit où se retire le poisson“. Aber wenn die Bedeutung allenfalls hier möglich wäre („wie der Fisch seinem Verstecke zu eilt und den, davor befindlichen, Angelhaken nicht sieht“; es fehlt aber dann die Angabe, wie der Angelhaken mit dem Versteck zusammenkommt), wie könnte die Form cafourno mit cadorn vereinigt werden?
Dem Zusammenhang nach ist in der Tat Raynouards Übersetzung „appât“ wahrscheinlich. Das Wort bezeichnet dann wohl, mit technischem Ausdruck, eine besondere Art von Köder. Man kann sich aber schließlich auch noch manches andere als möglich vorstellen.
 
9. no·n sap mot oder no·n sap re? Für den Fisch paßt natürlich re besser, aber no·n sap mot heißt eben auch nur „weiß gar nichts davon“ (so schon Boethius 132, ganz ähnlich wie hier, no sáp mot quant lo·s prent), und die Schreiber werden eher re für mot eingeführt haben als umgekehrt. Sollen wir aber zwei Verse weiter wieder no·n saup mot aus beinahe den gleichen Hdss. aufnehmen? Hier werden wir uns lieber für die andere Lesart entscheiden.
 
12 und 14 entscheiden die Hdss. nicht zwischen que non fai oder no·m feira und que m’aliama und e m’aliama.
 
17. Das Richtige aus den stark abweichenden Lesarten herauszufinden, ist wieder eine kaum lösbare Aufgabe. Ich bin AD gefolgt. Fres in A, das in FGQS im Reime steht, ist natürlich = fresc-s. Francs in IKOa gellt ziemlich sicher auf dasselbe Wort zurück. Gais fällt unter den Adjektiven, die sämtlich körperliche Vorzüge bezeichnen, auf. St. 36, 36 legt nahe, dafür gras zu vermuten.
 
20. Da die Dame sich dem Dichter so unfreundlich erweist, würde er gern etwas Übles von ihr sagen, wenn er nur etwas wüßte. Der Grausamkeit hat er sie ja freilich schon beschuldigt. Auch dies legt nahe, in v. 17 nur körperliche Eigenschaften anzuerkennen.
 
26. Die geliebte Frau will nicht (s. v. 7), daß der Dichter sie liebt. Aber er liebt sie, ob es ihr gefalle oder nicht, denn man kann sein Herz nicht zwingen, wenn man es nicht geradeswegs tötet. Und so fährt er trotzig fort: „ich weiß keine Frau, sie wolle oder nicht, die ich, wenn ich will, nicht lieben könnte“ („Wenn ich dich liebe, was geht’s dich an?“).
 
28. „Aber Alles kann man auf der Seite des Üblen anschreiben, kann man als Übel auffassen“. Der Dichter meint es zwar gut mit seiner Liebe, aber die Dame will nichts davon wissen, hält seine Liebe für ein Übel, und so sagt er denn in der nächsten Strophe, daß er, von ihr verschmäht, den Anderen anheimfalle. Der Tadel Raimon Vidals (s. Analyse) bleibt aber, trotz dieser Entschuldigung, berechtigt.
 
29. In A ist der Vers zu kurz, und die vielfach abweichenden Lesarten der anderen Hdss. lassen als sehr möglich erscheinen, daß dies schon in der ersten Quelle der Fall war. Wie die Lücke zu ergänzen ist, wird schwer auszumachen sein. Sai ist dem Sinne nach sehr wohl annehmbar. Der Dichter hat erklärt, daß er für Ventadorn verloren ist. So bietet er sich denn den Damen hier, wo er weilt, an. OSa zeigen eine viersilbige Verbalform. Da 3, 26 escazegra im Reim steht, kann (wenn jenes Lied von Bernart ist) hier eschazegut angesetzt werden: sui sai eschazegutz. Aber ebensowohl ist eine andere Ergänzung möglich.
 
35. Castiat in IK etc. geht natürlich auf Car trait zurück, so daß diese Lesart der ganzen Gruppe IKNQRV MOa zu grunde liegt, und dem schwächeren enganat gegenüber ist wohl in der Tat träit hier am Platz.
 
36. Auch hier ist, und mit noch größerer Sicherheit, MORV (und G) mit jois im Recht gegen mans AD etc. Vers 40 verlangt hier joi. Salutz, das wohl mans veranlaßt hat, ist zwar „Gruß“, aber zugleich mit dem Gedanken an die ursprüngliche Bedeutung „Heil“.
 
41. Die Hdss. schwanken zwischen faitura und faituratz, und zwischen mos drutz und sos dr.
Faitura kann Substantiv sein oder 3. Praes. Ind. von faiturar; faituratz ist natürlich Partizip dieses Verbs.
Als Subst. belegt Levy das Wort (III, 265) in den Bedeutungen: 1. Gestalt, 2. Gesicht (?), 3. Zauberei, Behexung („fascinusFloretus), 4. Kot (stercus). Raynouard übersetzt (III, 265) „façon, tournure“. Afrz. ist faiture „action de faire, production; créature, personne; façon, forme“ etc.
Das Verbum heißt: (Don. pro.) maleficiare, (Rayn. III, 283) enchanter, ensorceler, fasciner, (Levy III, 371) zaubern, bezaubern. Vielleicht kann es auch bedeuten: eine Gestalt geben, schaffen, hervorbringen.
Es fragt sich weiter ob en vor fachura(tz) aufzufassen ist als en „dominus“ bez. als e’n „et dominus“ oder als en „in“ oder als e’n „et inde“.
Man sieht die Fülle von Möglichkeiten, die sich bietet.
Wenn man fachura als Präsensform nimmt, wird man, da mit der Bedeutung „verzaubern, bezaubern“ (die 8, 21 vorliegt) schwerlich durchzukommen ist, übersetzen müssen: „wie mir mein Bel Vezer davon zuführt und mir mein dratz, en Alvernhatz (oder mein drutz und Herr Alv.) davon schafft“. Aber dagegen ist einzuwenden, daß fachurar „schaffen, hervorbringen“ nicht nachgewiesen ist (auch frz. scheint auffallenderweise faiturer neben faiture nicht zu existieren).
Ist fachura Appellativum (vgl. 24, 40 E port el cor ... Sa beutat e sa fachura), so wird man übersetzen: „ich habe nicht mehr Freude als mir davon in Gestalt (d. h. in seiner Schönheit) mein Bel Vezer zuführt, mein drut und Herr Alvernhatz“. Aber das würde kaum verständlich gewesen sein.
So werden wir in dem Wort doch einen Verstecknamen zu sehen haben, wie Bartsch(-Koschwitz) Chr. 63, 13, Zingarelli p. 38, Jeanroy Rom. 36, 119 verstanden haben; ob aber in der Form en Fachura „Herr Zauber“ oder en Fachuratz „Herr Bezauberter“ wird sich wieder mit Sicherheit nicht sagen lassen.
Und nun erhebt sich weiter die Frage, ob Alvernhatz und Fachura(tz) ein oder zwei Personen sind. Eine Person, nämlich so, daß Alvernhatz der „stregato di Belvezer“ wäre, sieht Zingarelli darin (p. 39 und Anm. 1), und auch Jeanroy neigt sich dieser Ansicht zu. Bartsch(-Koschwitz) dagegen schreibt e’n Alvernhatz, scheidet also F. und A. als zwei Personen. Mir scheint, daß dies das Richtige ist, einmal weil Bernart sonst eher n’Alvernhatz als en A. gesagt hätte, mehr noch weil sonst die gleiche Person mit nicht weniger als 4 Bezeichnungen belegt sein würde: 1. en Fachura(tz), 2. drutz, 3. Alvernhatz, 4. senher de Belcaire.
Die Lesart sos drutz anzunehmen, sind die Herausgeber wohl besonders dadurch veranlaßt worden, daß auch im Lied 29 Bel Vezer und Alvernhatz in enger Verbindung auftreten. So soll denn hier Fachuratz als der drut Bel Vezers mit Alvernhatz identisch sein. Aber drut ist ja auch der vertraute Freund des Mannes (s. Peire d’Alvernhe XI, 11 und die Beispiele bei Rayn. und Levy), und so ist kein zwingender Grund vorhanden, von mos drutz in ADGQS abzugehen.

 

 

 

 

 

 

 

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