8. lassar kann an sich sowohl „ermüden“ wie „binden“ sein. Bernart gebraucht das Verbum im Sinne von „binden“ auch sonst von der Liebe, s. 17, 2; 22, 52. So ist auch hier kein Zweifel.
9. no-jauzit ist „unfroh“, vgl. jauzit „froh“, Levy IV, 253a (wie afrz. jöi, s. Tobler I², 155). Man kann m’esjau auf das Singen des Dichters beziehen; den Geboten der Liebe (und auch den Anforderungen seines Sängerberufs) entsprechend bemüht er sich, sich fröhlich zu erweisen, und so singt er, ohne in seinem Liebesgeschick Veranlassung dazu zu haben. Aber auch die Tatsache, eine solche Herrin, wie er sie hat, zu lieben, ist, der Trobadorminne zufolge, an sich beseligend, ohne daß der Liebende anderen Gewinn, andere Freude davon hat, so daß m’esjau sich auf diese Weise erklären kann.
11. Es ist wohl zweifellos qu’e·m, bez. nach der Lautform der Hds. qu’ie·m, für das überlieferte quieu zu schreiben, vgl. 43, 23. Vielleicht stand in der Vorlage quiē, oder auch quien mit der umgekehrten Schreibung n statt m vor p.
16. In der Hds. steht engenoitz. Aber ng ist erst in moderner Tinte hinzugefügt oder wohl vielmehr den gleichen aber verwischten alten Buchstaben nachgezogen. Das Verbum engenöir „erzeugen“ ist auch sonst bekannt, s. Levy II, 503b und Zingarelli, Mélanges Chabaneau p. 1031. — Für den Gedanken ist zu erinnern, daß Bernart wiederholt sagt, seine Dame habe ihn aus dem Nichts gemacht. So kann er auch sagen, er sei von der Minne erzeugt worden.
17. Der Dichter erschrickt über das, was er in der vorigen Strophe von seiner Dame gesagt hat.
21 f. Zingarelli übersetzt: Che cosa è tanto feroce per me? Se io son distrutto, non troverei già chi abbia cura di me. Die Schwierigkeit liegt im Verständnis des zweiten Verses. Es steht in der Hds. ia no trobara li mampar. Zingarelli ändert li zu ki und erhält so einen leicht verständlichen Text, für den man 3, 54 vergleichen kann. Aber es gilt doch, sich zunächst mit dem li abzufinden. Und es ist wohl möglich zu deuten: „sie wird nimmer finden, ich schütze mich ihr gegenüber“. Der Dichter gibt sich verloren; ihm ist es gleich, wenn er zu grunde geht (v. 21); so wird er auch nichts tun, sich zu schützen. Aber freilich, wenn sie etwas für ihn tun wollte, dann wäre all sein Leid schnell geheilt.
24. resperir können wir mit „wieder beleben“ gut übersetzen. Hier, neben d’est mal, natürlich nicht im eigentlichsten Sinne (Zingarelli: risuscitato, s. v. 31), sondern in dem schwächeren, den das Wort bei uns auch hat.
27-29. Die kursiv gedruckten Buchstaben sind durch einen Fleck unleserlich geworden. Zingarelli ergänzt quant und übersetzt: ell’ è composta di quanto di meglio potè sceglier Natura. Zur Qualitätsbestimmung melhs paßt besser noch com als quant.
36. techir ist in erster Linie intr. „gedeihen, wachsen“. Aber auch afrz. kommt es faktitiv vor: „wachsen machen, gedeihen machen“ (s. Godefroy), und so hier „fördern“.
39 f. Zingarelli verweist auf Dante, der in der Kanzone Cosi nel mio parlar sagt (v. 45 ff.) E’l sangue, ch’è per le vene disperso, Fuggendo corre verso Lo cor che il chiama, ond’io rimango bianco.
42. Zingarelli übersetzt: poichè si degna di lasciarmi pregare, und das wird wohl der Sinn sein, vgl. 41, 11 f. Aber der provenzalische Ausdruck ist nicht klar. Man würde noch den Artikel erwarten; also etwa: pos sol de me denha·l preyar. So wie der Vers steht, würde man als Subjekt von preyar die Dame vermuten (vgl. v. 50); aber daß die Dame etwas vom Dichter erbitten könnte, ist wohl ausgeschlossen (man könnte höchstens einen abgebrochenen Satz annehmen, dessen Fortsetzung dann gesagt hätte, welche — vermutlich nur in den Augen des Dichters bedeutungsvolle — Bitte die Dame ausgesprochen hat), und der Gedanke, daß die Dame geneigt sein könnte für ihn zu „beten“, wäre ebensowenig trobadorisch.
52. In der Hds. steht engrenitz. Stichel verweist auf agrenir im Girart, = afrz. agramir, und übersetzt „erzürnt“. Das Wort könnte, seinen Lauten nach, dann aber nur französisches Fremdwort sein und würde auch dann noch lautliche Schwierigkeiten machen. Levy lehnt Stichels Erklärung ab, gibt aber keine eigene Deutung. Zingarelli ändert zu enqueritz und übersetzt: Iddio gliene guardi molte grazie del piacere che ho impetrato. Er hat aber selbst berechtigte Bedenken gegen die Auslassung des Relativpronomens.
Man kann wohl engrenitz lesen. Afrz. ist engrevir im Sinne von s’aggraver belegt (s. Godefroy: Par cascun jor li langors engrevissoit), und Levy bringt grevit „Nachteil, Schade“. Sé engrevir würde heißen „sich belasten, besehweren“. Also: von der Freude her ist mir noch schwerer, noch schlimmer geworden. Ihr Gruß hat mich noch liebeskränker gemacht, denn nun begehre ich noch mehr, und jedes Gut, das es vorher für mich gab, ist mir nun so erkältet, daß es mir nicht helfen würde, wenn ich es erlangte. Frezit ist merkwürdig, aber verständlich und eindrucksvoll angewendet; frei übertragen als Gegensatz zu pro, s. Levy, Suppl. (vgl., in anderer Art übertragen, Rbt. de Vaq. 392, 10 Ma dona·m fai tot refregir del caut, Que·m tol tot gaug, e tota ira·m dona).
58. com volh mostrar, nämlich: in den folgenden Versen (60-64)? Oder ist etwa solh zu lesen und der nächste Vers mit diesem zu verbinden: „wie ich es am Beginn unserer Liebe zu zeigen pflegte“? Denn aus dem Gedicht scheint doch hervorzugehen, daß Bernart jetzt nicht erst am Beginn seiner Liebe steht.
65. bru übertragen = „düster“, vgl. Rambertino Buvalelli, Pois vei que·l temps s’aserena, v. 35: car mos cors no·s refrena D’amar lieis, que tant m’es dura, M’es sos cors escurs e brus.
mal escharnit, oder dafür mal escharit „übel beschieden“?
67. Zingarelli druckt zwar plasmar, wie in der Hds. steht, übersetzt aber mi fa tramortire, also pasmar. Wenn das Volk vielleicht die beiden Fremdwörter vermengte, Bernart wird das nicht getan haben.
68. tan] so, daß sie mir nicht mehr als ihren Gruß vergönnte. — Die Hds. hat s’amistatz und so übersetzt Zingarelli „Con tal dolore mi fa tramortire perché la sua amistà tanto a me rifiuta“. Aber amistat ist in der Sprache der Trobadors „Liebe“, und die setzt ja der Dichter bei der Dame gerade nicht voraus. So verstehe ich das Wort als Objekt zu esconditz.
74. Zingarelli übersetzt „ma dolorosamente io son vissuto“. Aber das ist zum mindesten sehr frei übersetzt. Darf man an 26, 24 denken no·m te pro vianda und deuten: da ich kaum hinlänglich Nahrung zu mir nehmen konnte um zu leben, wird sie mich leicht töten? oder an v. 16 unseres Liedes: d’amor sui engenöitz: Die Liebe hat mich zwar ins Leben gerufen, aber sie hat mir so wenig Nahrung geboten, daß ich nur mit Mühe aufgezogen wurde, und nun werde ich leicht getötet werden? |