2. auran donat = sie haben gegeben. „Für das Perfektum Präsens steht nicht selten das Futurum exactum, indem sich fast immer eine Zeit- oder Maßbestimmung dabei findet.” Diese ist in unserem Falle lonjamen. Vgl. Schultz-Gora, Elem. B. § 186.
5. v. 5 hat in der Hs. wie v. 8: pensan, wovon sicherlich eins falsch ist. Diez, Poesie S. 309, versieht v. 8 mit einem Fragezeichen. Mir ist pensan in v. 5 unverständlich, ich möchte es in pezan ändern, was keinen graphischen Schwierigkeiten begegnet.
8. pensan. Pensar ist sinnverwandt mit consirar ( vgl. Anm. zu Nr. 8, v. 98). Ich verstehe die Stelle so: die Qualen, die es mir verursacht, wenn ich mich in Gedanken mit der unnahbaren Geliebten beschäftige, töten mich.
14. color. Die Hs. hat colors. In Hinblick auf den korrekten Reim von v. 18 : 20 ist das s zu streichen. Es ist also Nichtbeachtung der s-Regel festzustellen. Diez hat colors.
16. Amor. Die Hs. hat amors. Vgl. Anm. zu v. 14. Diez hat amors.
29. dit ist gegenüber handschriftlichem dig durch den Reim gesichert. Diez hat den an dieser Stelle vorliegenden Reim nicht erkannt.
35. c’un. Diez schreibt cum, was verlesen oder verdruckt sein muß.
43. ausi. Der Sinn schwankt hier zwischen „tötet” und „quält”. Über letztere Bedeutung vgl. Bertoni, Trovatori d’Italia S. 494, Anm. zu IV, 19 (hier Literaturnachweis).
45. no·us estara gen = es wird euch nicht gut anstehen; (estar = être séant). – Solche Warnungen und gar Drohungen des Sängers sind nichts Seltenes in der Trobadordichtung. Sie leiten ihre innere Berechtigung her aus der feudalistischen Allegorie im Frauendienst. Im Ernst dürfte ein dienender Sänger solche Äußerungen nicht ungestraft gewagt haben; als allegorisches Motiv aber bilden sie einen Gemeinplatz der Trobadorlyrik. Vgl. hierüber Wechßler, Kulturprobl. S. 165 (s. auch v. 61–64 unseres Descorts).
46. no·m. Diez hat non, die Hs. hat deutlich nom. Ich halte eine Änderung in non nicht für nötig.
49–50. Die Hs. hat den Reim hier übersehen, ebenso wie an den entsprechenden Stellen in v. 52, 55, 58 (vgl. Varianten); s. auch unter „ Metrisches”.
51. Die Rücksicht auf den Reim verweist das enklitische Pronomen in den nächsten Vers. Diese Erscheinung findet sieht nicht gar zu häufig. Vgl. etwa G. Augier Novella (ed. Joh. Müller) Nr. 6, Verse 18, 34, 41, 77; B. von Rouvenac (ed. G. Bosdorff) Nr. II, Verse 2 (·N = Herr), 3. – S. auch Bosdorffs Anmerkung zu II, 3 (S. 56) und Stroński, Elias Barjols S. 46 (zu 34–35), auch Kjellman, Raimon Jordan, Anm. zu III, 19–20 (S. 120).
54. Man vergleiche zu v. 49–54 die formale und inhaltliche Ähnlichkeit in Raimbauts von Vaqueiras Estampida „Kalenda maya” v. 63 ff. (Appel, Chrest. 52), ohne daß daraus irgendwelche Beziehungen hergeleitet werden sollen.
60. per razos. Die genaue Bedeutung ist: conformément à la raison, c. à un raisonnement juste, raisonnablement, d’une façon convenable; vgl. Stroński, Folquet v. Marseille S.221–22, Anm. zu V, 542, Nr. 5, 6.
74. vol deisendre. Gehört m. E. zu Levy SW 8, 822, voler 20: „voler faire ‘tun wollen’ und auch ‘tun’, so daß, in sehr verschiedener Abstufung, schließlich nur eine Umschreibung des einfachen Verbums herauszukommen scheint.” Die Bedeutung des einfachen Verbums liegt wohl hier vor. – Deisendre in Verbindung mit Merce findet sich sehr häufig. Vgl. Jeanroy–Salv. de Grave, Uc de Saint-Circ S. 180, Anm. zu VI, 33.
75–76. fes mi valgues steht im Gegensatz zu v. 73–74 und wird aus ihnen gefolgert: Mitleid habt ihr nicht, darauf kann ich nicht hoffen, also kann mir nur noch meine Treue helfen.
77. e. Diez hat ni; woher? Per dar e per vendre ist eine sehr häufige Formel. „Viele Frauensänger . . . beteuern, daß sie zu jeder Dienstleistung bereit und sich sogar darein ergeben wollen, wenn die Herrin sie als ihre hörigen Knechte verschenke oder verkaufe.” (Wechßler, Kulturprobl. S. 159; hier Beispiele.)
79. mes. Se metre en + Infinitiv hat hier wohl etwa die Bedeutung „sich bereit machen, bereitfinden”. Ich finde diese Konstruktion von metre nirgends hervorgehoben.
86. somonre de = zu etwas auffordern. Je ein Beleg bei Rayn. Lex. Rom. und Levy SW. S. auch Flamenca 44 (Appel, Chrest. S. 24): los fai tornar ad espero a lur senor, si·ls en somon. – en ist auf preizo bezüglich.
88. c’a; que ist abhängig von somo.
90–91. gai und mai fasse ich als Binnenreime auf im Gegensatz zu Diez (auch Jeanroy, Jongleurs S. 74, druckt keine Binnenreime) mit Appel, Vom Descort (denn so sind doch die Klammern über den entsprechenden Versen im Reimschema zu deuten). Ich komme hierzu wegen der zweistrophigen tornada; denn es muß diese ja „in Metrum und Reimen den Schluß gleichen Umfanges der hervorgehenden Strophe genau wiederholen”. (Suchier–Birch-Hirschfeld, Franz. Lit. I, 68.) Weil sie in unserem Falle aus Achtsilbnern besteht, muß v. 91, mithin auch v. 90, ebenfalls Achtsilbner sein. Da nun die tornada den Binnenreim nicht hat, halte ich es für naheliegend, daß er in v. 90 : 91 rein zufällig entstanden ist, während umgekehrt kein Grund vorliegt, aus dem Fehlen des Binnenreims etwa auf Unechtheit der tornada schließen zu wollen.
93. rei castela N’Anfos. Es handelt sich um den bekannten Gönner der Trobadors Alfons VIII. von Kastilien (1158–1214). S. Chabaneau, Onomastique, unter „ Anfos (de Castille; Alfonse VIII)” ; Reeb, Die in den Liedern der Trobadors genannten Könige u. Kaiser S. 8; auch Diez, Leben und Werke S. 427, erkennt das wohl, wenn er schreibt: „In anderen Liedern wird auch der Vater des Infanten (nämlich Ferdinand, vgl. Nr. 11) . . . gepriesen.” Vgl. auch Anm. zu Nr. 6, v. 60.
94. apres vos verstehe ich: Ich empfehle mich erst euch und dann dem König.
93–94. Zitiert Milá, De los trovadores S. 118, Anm. (1); er schreibt die Verse aber irrtümlicherweise Folquet von Marseille zu. |